In einer wegweisenden Entscheidung hat die liberale Mehrheit des Obersten Gerichtshofs von Wisconsin am Mittwoch ein 176 Jahre altes Abtreibungsverbot aufgehoben. In einer knappen 4-3-Entscheidung urteilten die Richter, dass die alten Gesetze durch neuere Regelungen, die Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit erlauben, obsolet geworden sind. Dies stellt nicht nur einen Sieg für die Abtreibungsbefürworter dar, sondern könnte auch weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige Rechtslage in Wisconsin und darüber hinaus haben.
Diese Entscheidung war keine Überraschung, haben doch die liberalen Richter in der Vergangenheit bereits deutlich gemacht, dass sie die Rechte auf Schwangerschaftsabbrüche unterstützen. Besonders auffällig war die Art und Weise, wie die Entscheidung begründet wurde, wobei die Richter die veralteten Gesetze als "Produkt einer patriarchalen Gesellschaft" bezeichneten, die nicht mehr mit den modernen Werten und Bedürfnissen übereinstimmen.

Hintergründe und Kontext
Das Abtreibungsverbot, das 1849 in Wisconsin erlassen wurde, gilt als eines der ältesten seiner Art in den USA. Es wurde damals als nahezu vollständiges Verbot angesehen und sah vor, dass nur die Mutter oder ein Arzt in einem medizinischen Notfall einen Eingriff vornehmen durfte. In der Praxis war dieses Gesetz jedoch bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA im Jahr 1973, bekannt als Roe v. Wade, praktisch inaktiv.
Nach der Entscheidung von Roe v. Wade wurden Abtreibungen in den meisten Bundesstaaten legal, doch die Wisconsin Gesetzgeber unterließen es, das alte Verbot offiziell aufzuheben. Dies führte zu einer rechtlichen Grauzone, insbesondere nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA im Jahr 2022, die Roe v. Wade wieder aufhob. Konservative Stimmen argumentierten, dass das alte Gesetz durch diese Entscheidung reaktiviert wurde, was zu einer erneuten Debatte über die rechtliche Lage bezüglich Abtreibungen in Wisconsin führte.
Wisconsins Generalstaatsanwalt Josh Kaul, ein Demokrat, reichte 2022 eine Klage ein, in der er argumentierte, dass die neuen Gesetze, die während der fast fünf Jahrzehnten, in denen Roe v. Wade in Kraft war, verabschiedet wurden, vorrangig seien. Hierzu zählte ein Gesetz von 1985, das Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit, also bis etwa zur 21. Schwangerschaftswoche, erlaubt.
Zudem wurden unter den geltenden Gesetzen Anforderungen wie die Durchführung eines Ultraschalls, eine 24-stündige Wartezeit vor dem Eingriff sowie eine schriftliche Zustimmung der Frauen zur Bedingung gemacht. Diese Regelungen verdeutlichen, dass eine Vielzahl von Vorschriften zur Durchführung von Abtreibungen existiert, die nun durch den Obersten Gerichtshof als umfassend und ausreichend angesehen wurden.

Investigative Enthüllungen
In der Urteilsbegründung des Obersten Gerichtshofs von Wisconsin wurde festgestellt, dass das 1849 verabschiedete Verbot in der Gegenwart nicht mehr haltbar sei. Die Mehrheit der Richter, darunter Justice Rebeca Dallet, wies darauf hin, dass die umfassende Gesetzgebung zu Abtreibungen "so gründlich das gesamte Thema abdeckt, dass sie klar als Ersatz für das 19. Jahrhundert Verbot angesehen werden muss." Dies zeigt, dass die Justiz nicht nur in der rechtlichen, sondern auch in der sozialen Realität des 21. Jahrhunderts verankert ist.
Die Entscheidung wurde von der konservativen Seite heftig kritisiert. District Attorney Joel Urmanski
Die Dissens-Stimme von Justice Annette Ziegler war besonders aufschlussreich. Sie bezeichnete das Urteil als "eine atemberaubende Übung der richterlichen Willkür". Damit wurde die Behauptung aufgestellt, dass die liberalen Richter ihren persönlichen Vorlieben und der Politik ihrer Wählerschaft nachgegeben hätten. Dies spiegelt die hitzige politische Debatte wider, die in Wisconsin und im ganzen Land geführt wird.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hat weitreichende Konsequenzen für die Rechte von Frauen in Wisconsin. Abtreibungen sind nun rechtlich klar geregelt, was sowohl für Anbieter als auch für Patientinnen eine große Erleichterung darstellt. Abtreibungsanbieter in Wisconsin haben bereits signalisiert, dass sie jetzt mit mehr Sicherheit arbeiten können, da die Rechtslage eindeutig ist.
Die öffentliche Meinung in Wisconsin zeigt, dass eine Mehrheit der Wähler für einen leichteren Zugang zu Abtreibungen ist. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 62% der Wähler die Ansicht vertreten, Abtreibungen sollten in den meisten oder allen Fällen legal sein. Diese Zahlen sind ein klarer Indikator für den gesellschaftlichen Wandel, der sich in den letzten Jahren vollzogen hat, und könnten auch politische Auswirkungen auf die kommenden Wahlen haben.
Die Reaktionen auf die Entscheidung sind gemischt. Während Abtreibungsbefürworter feierten, warnen konservative Gruppen, dass dies ein Schritt in die falsche Richtung sei und dass die Entscheidungen des Gerichts nicht die Meinungen aller Wisconsiner widerspiegeln. Diese Kontroversen könnten die politischen Fronten in Wisconsin weiter verhärten, insbesondere wenn konservative Gesetzgeber versuchen werden, neue Gesetze zu erlassen, um die Entscheidung zu untergraben.
Zukünftige Entwicklungen
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wird voraussichtlich weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige rechtliche Landschaft in Wisconsin haben. Es bleibt abzuwarten, ob konservative Gesetzgeber versuchen werden, neue Gesetze einzuführen, um das Abtreibungsrecht zu beschränken. Sollte dies der Fall sein, könnte die Frage der Abtreibung erneut zu einem zentralen Thema in den nächsten Wahlen werden.
Die liberale Mehrheit am Obersten Gerichtshof zeigt, dass die Justiz in Wisconsin bereit ist, auch gegen starke politische Widerstände für die Rechte der Frauen einzutreten. Diese Entscheidung könnte als Katalysator für ähnliche Bewegungen in anderen Bundesstaaten dienen, die ähnliche Gesetze haben. Die Entwicklungen in Wisconsin sind somit nicht nur auf den Bundesstaat beschränkt, sondern könnten bundesweit für Aufmerksamkeit sorgen.
Die Frage, wie die Gesellschaft mit Abtreibung umgeht, bleibt ein zentrales Thema in der amerikanischen Politik. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Wisconsin dazu beiträgt, die Debatte auf eine sachlichere und weniger ideologisierte Ebene zu bringen.