Ein neuer Bericht über Antiziganismus in Deutschland hat alarmierende Zahlen veröffentlicht und die Medien dafür kritisiert, Vorurteile zu schüren. Die Sinti- und Roma-Gemeinschaft reagiert jedoch auch mit positiven Entwicklungen.
Laut dem Antiziganismus Reporting and Information Center (MIA) in Deutschland sind Sinti und Roma besonders von Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus betroffen. Der neueste Jahresbericht dokumentiert die Art und das Ausmaß des Antiziganismus im Land und zeigt eine besorgniserregende Zunahme der Vorfälle. Im Jahr 2024 wurden 1.678 Fälle von Antiziganismus dokumentiert, die von verbalen Angriffen bis zu körperlichen Übergriffen reichen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 621 Fällen, die im ersten Bericht für 2022 verzeichnet wurden.
Mehmet Daimagüler, Deutschlands erster Bundesbeauftragter gegen Antiziganismus, stellte in seinem Vorwort fest, dass „die in diesem Bericht dokumentierten Vorfälle deutlich zeigen, dass verbale Stigmatisierung und Antiziganismus-Propaganda den Boden für Diskriminierung und körperliche Angriffe bis hin zu lebensbedrohlicher Gewalt bereiten“. Sein Nachfolger, Michael Brand, der im Juni 2023 ins Amt kam, steht vor der Herausforderung, die Sinti und Roma in Zeiten wachsender extremistischer Tendenzen zu schützen.

Hintergründe und Kontext
Die Wurzeln des Antiziganismus in Deutschland sind tief verwurzelt und reichen bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Nazis verfolgten und ermordeten über eine halbe Million Sinti und Roma während des Holocausts. Diese historische Last hat die gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dieser ethnischen Gruppe geprägt und führt bis heute zu systematischen Diskriminierungen.
Die aktuelle Situation wird von vielen als Spiegelbild der politischen Rhetorik angesehen, die in den letzten Jahren an Schärfe zugenommen hat. Die Zunahme extremistischer Äußerungen, insbesondere von rechten Parteien, trägt zur Vergiftung des sozialen Klimas bei. Das MIA stellte fest, dass solche Äußerungen häufig auch in den sozialen Medien zu finden sind und dort die Akzeptanz von Diskriminierung befeuern.
Die Schaffung eines neuen Amtes für Antiziganismus ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bleibt die Frage, ob politische Maßnahmen ausreichen, um die tief verwurzelten Vorurteile zu beseitigen. Daimagüler selbst warnte davor, dass „wir als Gesellschaft noch einen langen Weg vor uns haben, um die Vorurteile und den Rassismus gegen Sinti und Roma zu überwinden“.
Im Jahr 2023 lebten in Deutschland schätzungsweise 80.000 bis 140.000 Sinti und Roma. In ganz Europa wird die Zahl auf etwa 10 bis 12 Millionen geschätzt. Diese Gemeinschaft sieht sich nicht nur physischer Bedrohung, sondern auch sozialer Isolation und wirtschaftlicher Benachteiligung gegenüber.

Investigative Enthüllungen
Der MIA-Bericht dokumentiert nicht nur die zahlenmäßige Zunahme von Antiziganismus, sondern bietet auch konkrete Beispiele für die brutalen Übergriffe auf Sinti und Roma. Ein erschreckender Vorfall, der in der Berichterstattung über die Problematik hervorgehoben wurde, betraf einen Sinti-Jungen, der in der Schule gemobbt wurde. Er wurde von mehreren Mitschülern nach Schulschluss festgehalten, an eine Bank gebunden und geschlagen. Solche Vorfälle sind leider keine Einzelfälle, wie der Bericht zeigt.
Die Eskalation dieser Gewalt hat auch Auswirkungen auf die Familien der Betroffenen. Im bereits erwähnten Vorfall kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Eltern des Sinti-Jungen und den Eltern der Täter, die in einer Schlägerei endete. Die Gewalt gipfelte darin, dass ein Angehöriger der Sinti-Familie mit einem Messer bedroht wurde und ein weiterer eine Fußverletzung erlitt.
Eine Studie hat gezeigt, dass solche Übergriffe in deutschen Schulen und Kindergärten immer häufiger vorkommen. Hierbei wird die Wurzel des Problems in der sich zunehmend feindlichen politischen Debatte gesehen. Laut dem MIA vergiften anti-Roma-Aussagen, insbesondere von rechten Parteien, das soziale Klima und fördern ein Umfeld, in dem Diskriminierung und Gewalt gegenüber Sinti und Roma als akzeptabel angesehen werden.
Romani Rose, der seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma ist, äußert sich besorgt über den langsamen Fortschritt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung seiner Gemeinschaft. „Leider müssen wir feststellen, dass trotz unserer fast 50-jährigen politischen Arbeit in diesem Land ein Bewusstseinswandel erst begonnen hat“, sagt er in seinem Vorwort zum MIA-Bericht.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Zunahme von Antiziganismus hat nicht nur unmittelbare physische Folgen, sondern auch langfristige Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Sinti und Roma. Die ständige Angst vor Diskriminierung und Gewalt führt zu einer erhöhten Isolation, die sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt. Viele Sinti und Roma ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück, um Übergriffen zu entkommen.
Die Berichte des MIA haben auch in den Medien Aufmerksamkeit erregt. Kritiker werfen den Nachrichtenorganisationen vor, ein verzerrtes Bild von Sinti und Roma zu verbreiten, das oft auf Klischees und Stereotypen basiert. Die MIA berichtet, dass es in letzter Zeit vermehrt Beschwerden über diskriminierende Darstellungen in den Medien gegeben hat, sowohl in kommerziellen als auch in öffentlich-rechtlichen Sendern.
Um diesen Stereotypen entgegenzuwirken, engagieren sich viele Sinti und Roma in der Kunstszene. Projekte, die sich mit der Darstellung ihrer Kultur und Identität befassen, gewinnen an Bedeutung und helfen, das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen, mit denen sie konfrontiert sind. Künstlerische Initiativen tragen dazu bei, Vorurteile abzubauen und ein differenzierteres Bild der Gemeinschaft zu präsentieren.
Zukünftige Entwicklungen
Der neue Bundesbeauftragte für Antiziganismus, Michael Brand, hat bereits betont, dass es von entscheidender Bedeutung ist, Sinti und Roma vor den Auswirkungen extremistischer und diskriminierender Strömungen zu schützen. In Anbetracht der steigenden Zahl von Vorfällen ist es unerlässlich, effektive Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Rechte dieser Minderheit zu gewährleisten.
Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, wie die Bundesregierung auf die Herausforderungen des Antiziganismus reagiert. Initiativen zur Förderung der Rechte von Sinti und Roma sowie Aufklärungsprogramme in Schulen und der breiten Öffentlichkeit könnten dazu beitragen, das Bewusstsein und die Akzeptanz für diese Gemeinschaft zu erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Situation für Sinti und Roma in Deutschland alarmierend ist. Die Zunahme von Vorurteilen und Gewalt erfordert dringende Maßnahmen von Seiten der Politik, der Medien und der Gesellschaft insgesamt, um eine diskriminierungsfreie Umgebung zu schaffen. Der Weg zu einem respektvollen Miteinander ist lang, aber notwendig.