Am 29. Juni 2023 gab die Liga der Sozialdemokraten (LSD), eine der letzten verbliebenen Oppositionsparteien in Hongkong, offiziell ihre Auflösung bekannt. Der Parteivorsitzende Chan Po-ying erklärte, dass die Entscheidung als Reaktion auf den „immensen politischen Druck“ getroffen wurde, der durch die jahrelange Repression Pekings auf abweichende Stimmen in der semi-autonomen Stadt entstanden ist. Der Schritt markiert einen weiteren Rückschlag für die Demokratiebewegung in Hongkong.
Die LSD, gegründet im Jahr 2006, war bekannt für ihre kämpferische Haltung in der Legislative und auf den Straßen, wo sie oft mit kreativen Protestformen, wie dem Werfen von Bananen und Fischsandwiches, auf sich aufmerksam machte. Diese künstlerischen Aktionen machten die Partei nicht nur zu einem Symbol des Widerstands, sondern auch zu einem wichtigen Akteur in der politischen Landschaft Hongkongs.
Die Auflösung der Partei markiert einen traurigen Höhepunkt für die politische Opposition in Hongkong, die seit der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Jahr 2020 stark dezimiert wurde. Dieses Gesetz wurde eingeführt, um die massiven Demokratieproteste zu unterdrücken, die Hongkong im Jahr zuvor in einen Ausnahmezustand versetzt hatten.

Hintergründe und Kontext
Die LSD war nicht nur eine politische Partei, sondern ein Symbol für die Hoffnungen vieler Hongkonger auf eine demokratische Zukunft. Im Jahr 2008, während ihrer Blütezeit, hielt die Partei lediglich drei Sitze im Legislativrat, war jedoch entscheidend daran beteiligt, eine radikalere pro-demokratische Agenda in die Mainstream-Politik zu bringen. Die Welle der Proteste, die Hongkong 2019 erfasste, zeigte das immense Verlangen der Bevölkerung nach Demokratie und Freiheit.
Mit der Verhängung des Nationalen Sicherheitsgesetzes begann ein schleichender, aber anhaltender Prozess der Repression. Die Regierung stellte die politischen Strukturen um, um sicherzustellen, dass nur loyale Unterstützer Pekings öffentliche Ämter übernehmen konnten. Die LSD war nicht die einzige Partei, die unter diesem Druck zerbrach. Sowohl die Demokratische Partei als auch die Civic Party haben in den letzten Jahren ähnliche Schritte unternommen.
Chan Po-ying, die Vorsitzende der LSD, äußerte ihr Bedauern über die Situation und betonte, dass die Entscheidung zur Auflösung einstimmig getroffen wurde, da die Mitglieder sich der Konsequenzen ihrer politischen Aktivitäten bewusst waren. „Wir hatten keine andere Wahl,“ erklärte sie in einer Pressekonferenz. Die Schließung der Bankkonten der Partei im Jahr 2023 stellte zusätzliche operationalen Schwierigkeiten dar und führte letztendlich dazu, dass die Partei nicht länger funktionsfähig war.

Investigative Enthüllungen
Die repressiven Taktiken der Hongkonger Regierung, unterstützt von Peking, haben nicht nur politische Parteien betroffen, sondern auch Einzelpersonen, die sich gegen das Regime stellen. In den letzten fünf Jahren wurden zahlreiche Mitglieder der LSD, darunter Chan Po-yings Ehemann, Leung Kwok-hung, auch bekannt als „Long Hair“, wegen Subversion inhaftiert. Sein Fall ist besonders gravierend, da er in Hongkongs größtem nationalen Sicherheitsprozess verurteilt wurde.
Ein weiterer ehemaliger LSD-Mitglied, Jimmy Sham, wurde letzten Monat aus der Haft entlassen. Während seiner Zeit im Gefängnis setzte er sich für die Rechte von LGBTQ+-Personen ein und stellte fest, dass die LSD die erste politische Partei war, die Gleichheit für diese Gemeinschaft in ihre Kernpolitik integrierte. „Ich hoffe aufrichtig, dass es in Zukunft noch Stimmen in der Gesellschaft gibt, die sich für die Marginalisierten einsetzen,“ sagte Sham in einer emotionalen Ansprache.
Die LSD hatte ihre öffentlichen Aktivitäten in den letzten Jahren stark eingeschränkt und führte nur noch sporadische Veranstaltungen durch. Diese beschränkten sich häufig auf einen kleinen Stand in einem Einkaufsviertel, wo Aktivisten Flyer verteilten, ständig von der Polizei beobachtet. Die Einschüchterung durch die Behörden war allgegenwärtig, und viele, die sich unterstützend zeigten, wagten es nicht, ihre Solidarität offen auszudrücken.

Auswirkungen und Reaktionen
Die politische Landschaft Hongkongs verändert sich dramatisch. Die Reaktionen auf die Auflösung der LSD sind vielschichtig. Regina Ip, eine hochrangige Regierungsvertreterin, bezeichnete die Auflösung der Opposition als „gute Nachricht“ für Hongkong. „All diese Parteien haben großen Schaden angerichtet und die ordnungsgemäße Funktionsweise des Legislativrats beeinträchtigt,“ sagte sie. Ihre Äußerungen spiegeln die vorherrschende Haltung der Regierung wider, die die Opposition als Bedrohung für die nationale Sicherheit ansieht.
Die zivilgesellschaftlichen Auswirkungen sind jedoch tiefgreifend. Viele Bürger fühlen sich entmutigt und sind sich unsicher, wie sie in einem politischen Klima, das von Repression geprägt ist, weiterhin für ihre Rechte eintreten können. Chan Po-ying warnte vor einem „Dominoeffekt“, der möglicherweise weitere Oppositionsgruppen dazu bringen könnte, aufzugeben. „Wir sind nicht die Letzten, die aufgeben werden,“ sagte sie und rief die Öffentlichkeit dazu auf, trotz der widrigen Umstände aktiv zu bleiben.
Die Auflösung der LSD ist nicht nur ein Verlust für die politische Landschaft Hongkongs, sondern auch ein alarmierendes Zeichen für die Zukunft der Demokratie in der Region. Die anhaltende Verhaftungswelle und die Straffung der politischen Kontrolle durch die Regierung haben viele Bürger in Angst und Schrecken versetzt, was zu einer stark eingeschränkten öffentlichen Debatte führt.
Zukünftige Entwicklungen
Die politischen Entwicklungen in Hongkong bleiben ungewiss. Chan Po-ying äußerte sich pessimistisch über die Aussichten auf einen demokratischen Wandel in naher Zukunft. „Ich habe keine falschen Hoffnungen auf eine Liberalisierung. Ich glaube nicht, dass Hongkong in naher Zukunft zu einem demokratischen System zurückkehrt,“ sagte sie und deutete auf die wachsende Frustration innerhalb der Bevölkerung hin.
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklungen in Hongkong mit wachsender Besorgnis. Immer wieder werden Stimmen laut, die die chinesische Regierung für ihre repressiven Maßnahmen kritisieren. Menschenrechtsorganisationen fordern die Rückkehr zu einem System, das die Rechte und Freiheiten der Bürger respektiert. Doch die Realität sieht anders aus: Die Regierung hat ihre Kontrolle über die Medien gefestigt und die Öffentlichkeit von kritischen Informationen abgeschottet.
Die LSD ist nicht nur eine politische Entität, sondern ein Symbol für den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit. Ihre Auflösung ist ein schwerer Schlag für die Demokratiebewegung in Hongkong und lässt die Frage offen, welche Stimme die Bürger in der Zukunft noch haben werden.