Die GPS-Störungen, die die Luft- und Schifffahrt im Baltikum seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs belasten, haben sich zu einem ernsthaften Problem entwickelt. Polnische Forscher haben detaillierte Informationen über die russischen Störmanöver im Gebiet gesammelt und dabei eine alarmierende Erkenntnis gewonnen: Die Störungen sind nicht nur zufällig, sondern scheinen strategisch orchestriert zu sein. Diese Störungen, die sowohl als Jamming als auch als Spoofing bezeichnet werden, haben das Leben vieler Menschen in der Region erheblich beeinträchtigt.
Seit dem vollständigen Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 berichten Piloten und Schiffsführer von massiven Störungen in ihren Navigationssystemen. Tausende von Flugzeugen und Schiffen wurden bereits von diesen Störungen betroffen, was zu Änderungen der Routen und sogar zu Flugausfällen geführt hat. Die Ursache dieser Störungen sind geheimnisvolle Funkwellen, die von militärischen Einrichtungen Russlands ausgestrahlt werden. Während die baltischen Staaten und andere betroffene Länder die russische Regierung direkt verantwortlich machen, bleibt Moskau zu diesem Thema auffallend still.

Hintergründe und Kontext
Die Störungen der Global Navigation Satellite Systems (GNSS) im Baltikum sind ein klarer Hinweis auf die sich verschärfenden Spannungen in der Region. Seit Beginn der Konflikte in der Ukraine haben die baltischen Länder, die sich in unmittelbarer Nähe zu Russland befinden, vermehrt von Störungen ihrer Navigationstechnologien berichtet. Diese Störungen zeigen sich unter anderem durch Jamming, bei dem die Signale blockiert werden, und Spoofing, bei dem falsche Standortdaten übermittelt werden.
Die geografische Lage von Kaliningrad, dem russischen Exklave zwischen Polen und Litauen, ist ein zentraler Punkt, wenn es um die Herkunft dieser Störungen geht. Berichten zufolge ist Kaliningrad bekannt für seine hohe Konzentration an militärischen Einrichtungen, einschließlich solcher, die sich auf elektronische Kriegsführung spezialisiert haben. Auch die Region um St. Petersburg ist ein weiterer Hotspot für solche Aktivitäten. In diesen Gebieten hat die russische Armee eine signifikante Präsenz, die in der Lage ist, die GNSS-Signale systematisch zu stören.
Einige europäische Länder haben diese Probleme ernst genommen und bereits im März 2023 eine Beschwerde bei den Vereinten Nationen eingereicht. Acht Länder, darunter die baltischen Staaten, Polen, Finnland, Frankreich, die Niederlande und die Ukraine, haben die UN aufgefordert, Maßnahmen gegen diese Störungen zu ergreifen. Die Vereinten Nationen haben das Thema mittlerweile in die Agenda aufgenommen, und mehrere UN-Organisationen, darunter die Internationale Seeschifffahrtsorganisation und die Internationale Zivilluftfahrtorganisation, beschäftigen sich mit dem Problem.

Investigative Enthüllungen
Die Forscher haben durch die Analyse von offenen Daten und Informationen der baltischen Regierungen einige der Ursachen für die Störungen identifizieren können. Jaroslaw Cydejko, ein Adjunkt an der Gdynia Maritime University, hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. „Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, Satellitennavigation zu verwenden. Seeleute sollten auch ohne sie navigieren können, aber es ist zu einer Tatsache des Lebens geworden“, erklärt Cydejko.
In den letzten Jahren hat sich sein Fokus von den positiven Aspekten der GNSS-Nutzung hin zu den störenden Emissionen verschoben, die die Satellitensignale im Baltikum beeinträchtigen. Seine Studien zeigen, dass Russland sowohl Jamming als auch Spoofing einsetzt, um die Navigation in der Region zu stören. Besonders auffällig ist, dass sich die Art der Störungen seit 2025 geändert hat: Während früher hauptsächlich die Signale blockiert wurden, wird jetzt zunehmend auf Spoofing gesetzt. Diese Technik ist technisch anspruchsvoller und schwerer zu erkennen.
Ralf Ziebold, Leiter der Abteilung für nautische Systeme beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, hebt hervor, wie einfach es ist, GNSS-Signale zu stören. „Das Jamming wird erreicht, indem die schwachen Signale der globalen Positionssatelliten, die sich 20.000 Kilometer über der Erdoberfläche befinden, mit Funkwellen überlagert werden, die näher am Boden gesendet werden“, erklärt Ziebold. Spoofing hingegen ersetzt die echten Signale durch falsche, sodass es aussieht, als befände sich der Empfänger an einem anderen Ort. Dies kann Autopiloten oder Kapitäne dazu bringen, vom Kurs abzukommen.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Auswirkungen dieser Störungen sind erheblich und betreffen nicht nur die Luftfahrt und Schifffahrt, sondern auch die Sicherheit der Menschen in der Region. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation hat bereits auf die Gefahren hingewiesen, die von unzuverlässigen Navigationssystemen ausgehen. In den letzten Monaten wurden mehrere Flugausfälle und Umleitungen verzeichnet, die auf die Störungen zurückzuführen sind. Dies hat nicht nur finanzielle Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen, sondern auch auf die Reisenden, die oft mit erheblichen Unannehmlichkeiten rechnen müssen.
Die baltischen Staaten haben in Reaktion auf die wiederholten Störungen ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Dies beinhaltete die Implementierung von alternativen Navigationssystemen und die Durchführung von Schulungen für Piloten und Schiffsführer, um sie besser auf die Störungen vorzubereiten. Trotz dieser Maßnahmen bleibt das Risiko bestehen, dass die Störungen weiterhin zunehmen, da Russland seine Fähigkeiten zur elektronischen Kriegsführung weiter ausbaut.
Die offizielle russische Reaktion auf die Vorwürfe ist jedoch von auffallender Stille geprägt. Moskau hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert, dass es absichtlich die Navigation im Baltikum stört. Diese Strategie der „Nicht-Anerkennung“ hat es der russischen Regierung ermöglicht, die Vorwürfe zu ignorieren und gleichzeitig die eigene militärische Präsenz in der Region auszubauen.
Zukünftige Entwicklungen
Die zukünftige Entwicklung der GPS-Störungen im Baltikum wird mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Militärs und Sicherheitsanalysten warnen davor, dass die Störungen möglicherweise zunehmen könnten, insbesondere wenn die geopolitischen Spannungen weiter steigen. Es ist zu erwarten, dass die baltischen Staaten und ihre Partner in Westeuropa weiterhin Druck auf Russland ausüben werden, um die Störungen zu beenden.
Darüber hinaus wird die Forschung in diesem Bereich voraussichtlich intensiver geführt werden, um die Mechanismen hinter den Störungen besser zu verstehen und wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Die Entwicklungen der nächsten Monate könnten entscheidend dafür sein, wie die europäische Luft- und Schifffahrt auf die Herausforderungen der modernen elektronischen Kriegsführung reagieren kann.
In der Zwischenzeit bleibt die Region im Baltikum in einem Zustand der Unsicherheit, da die Bedrohungen durch Russland weiterhin bestehen. Die Frage, wie effektiv die internationale Gemeinschaft gegen diese Form der elektronischen Kriegsführung vorgehen kann, bleibt offen und bedarf dringender Aufmerksamkeit.