Die britischen Gewässer erleben einen bemerkenswerten Wandel: Wissenschaftler prognostizieren, dass gefährdete Haie, Rochen und einheimische Austern in den nächsten Jahren von den steigenden Wassertemperaturen profitieren könnten. Diese Veränderungen sind eine direkte Reaktion auf den Klimawandel, der die Lebensräume mariner Arten dramatisch beeinflusst. Insbesondere die Nordsee könnte sich in den kommenden 50 Jahren zu einem Biodiversitäts-Hotspot entwickeln, während einige Arten Schwierigkeiten haben werden, sich anzupassen.
Die Forscher des Centre for Environment, Fisheries and Aquaculture Science haben zum ersten Mal untersucht, wie 19 gefährdete Meeresarten auf den Klimawandel reagieren werden. Diese Analyse könnte entscheidend sein, um der britischen Regierung bei der Planung von Marine Protected Areas (MPAs) zu helfen, die den Schutz dieser Arten auch in sich verändernden Lebensräumen gewährleisten sollen.

Hintergründe und Kontext
Die Ozeane der Welt haben bis zu 90% der zusätzlichen Wärme absorbiert, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas freigesetzt wird. Dies hat zu einem raschen Anstieg der Wassertemperaturen geführt, insbesondere in der Nordsee, die zu den 20 am schnellsten erwärmten Gebieten weltweit gehört. Das britische Klima, insbesondere die Meeresumwelt, ist von dieser Entwicklung stark betroffen.
Im Mai 2023 erlebten die britischen Gewässer eine Hitzewelle, die die Temperaturen um bis zu 4 Grad über dem Durchschnitt ansteigen ließ. Diese plötzlichen Temperaturveränderungen haben bereits spürbare Auswirkungen auf das marine Leben, da Berichte über das vermehrte Auftreten von Quallen und das Auftauchen von mediterranen Oktopussen in Fischernetzen zugenommen haben. Die Veränderungen sind nicht nur für die Meeresumwelt von Bedeutung, sondern auch für die Küstengemeinden, die auf Fischerei und Tourismus angewiesen sind.
Die aktuelle Studie hat zwei verschiedene Projektionen für die Entwicklung von Wassertemperaturen, Salinität und Sedimentlevel bis 2060 untersucht. Diese Daten wurden mit den bevorzugten Lebensräumen von 19 derzeit gefährdeten Arten verglichen. Es zeigt sich, dass mobile Arten wie Haie und Rochen besser mit den Veränderungen umgehen können, während sesshafte Arten, wie einige Muscheln und Korallen, Schwierigkeiten haben könnten, ihre Lebensräume zu finden.

Investigative Enthüllungen
Zu den größten Gewinnern der sich verändernden Bedingungen zählen die einheimischen Austern, Baskinghaie, Spurdoghaie, die bis zu 1,6 Meter groß werden können, und Dornhaie. Diese Arten könnten in neuen Lebensräumen gedeihen, die durch den Klimawandel entstehen. In der Tat deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Austernpopulationen sich möglicherweise erholen könnten, entgegen der bisherigen Annahme, dass sie seit über 100 Jahren zurückgehen.
Professor Pinnegar, einer der führenden Wissenschaftler der Studie, äußert sich überrascht über die positive Entwicklung der einheimischen Austern. „Ich hätte nicht erwartet, dass die einheimischen Austern gut abschneiden würden, da sie in den letzten 100 Jahren zurückgegangen sind“, erklärt er. Diese Erkenntnis könnte entscheidend sein für die künftigen Fischereipolitiken und den Schutz der Meeresbewohnerschaften. Dennoch mahnt er zur Vorsicht: „Wir versprechen nicht unbedingt einen Anstieg der Bestände – die Meere müssen sorgfältig verwaltet werden und andere Belastungen müssen reduziert werden, wenn die Tiere in neuen Lebensräumen gedeihen sollen.“
Die Herausforderungen sind jedoch zahlreich. Ein kleiner Bewohner der Meere, die See-Pennart, die zur Bildung von Riffen beiträgt, könnte bis zum Ende des Jahrhunderts bis zu 40% seines geeigneten Lebensraums verlieren. Dies könnte gravierende Folgen für die gesamte Meeresökosystem haben, da ein Rückgang dieser Arten die Nahrungsnetze destabilisieren könnte.
Ein weiteres wesentliches Beispiel ist der Ocean Quahog, eine Muschelart, die mehr als 500 Jahre alt werden kann und somit als das älteste bekannte Tier der Welt gilt. Prognosen deuten darauf hin, dass diese Art Schwierigkeiten haben wird, sich an die sich verändernden Bedingungen anzupassen, was ihre Bestände gefährden könnte. Ein Rückgang dieser langlebigen Tiere könnte langfristig auch die Nahrungsversorgung anderer Meeresbewohner beeinflussen.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Auswirkungen dieser Veränderungen sind nicht nur theoretischer Natur, sondern haben auch konkrete Konsequenzen für Küstengemeinden und die Fischereiindustrie. Dr. Bryony Townhill, Meereswissenschaftlerin bei Cefas, hebt hervor, dass die Bewegung dieser 19 Meeresarten erhebliche Auswirkungen auf die Küstengemeinschaften in der Nordsee haben wird. „Es könnten größere Fischfänge erzielt werden“, sagt Townhill. Dies könnte sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Fischerei mit sich bringen, da neue Arten in die Gewässer einwandern und bestehende Fischbestände sich verschieben.
Die britische Regierung steht vor der Herausforderung, die sich verändernden Meeresökosysteme im Blick zu behalten und gleichzeitig die Interessen von Fischern, Naturschützern und der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Umweltberichte zeigen, dass die Anpassung an den Klimawandel in der Meeresbewirtschaftung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Notwendigkeit, MPAs anzupassen, um den neuen Lebensbedingungen gerecht zu werden, wird immer deutlicher.
Ein separater Bericht des UK Met Office hebt die schnell wachsende Wahrscheinlichkeit extremer Lufttemperaturen hervor. Die Chancen, dass in den kommenden Jahren Temperaturen über 40 Grad Celsius erreicht werden, haben sich seit den 1960er Jahren mehr als verzwanzigfacht. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Anpassung an den Klimawandel nicht nur die Meere betrifft, sondern auch das gesamte britische Wetter- und Klimasystem.
Zukünftige Entwicklungen
Die künftigen Entwicklungen in den britischen Gewässern stehen also unter dem Zeichen des Wandels. Während zahlreiche Arten von den steigenden Temperaturen zu profitieren scheinen, müssen gleichzeitig auch die Bedrohungen, die durch Überfischung, Krankheit und Umweltverschmutzung entstehen, adressiert werden. Die Meeresbewirtschaftung muss an diese neuen Gegebenheiten angepasst werden, um nicht nur die Artenvielfalt zu schützen, sondern auch die Küstengemeinden zu unterstützen, die von diesen natürlichen Ressourcen abhängig sind.
Die vorliegenden Erkenntnisse bieten einen wertvollen Einblick in die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimawandel, mariner Biodiversität und menschlichen Aktivitäten. Der Schutz der Meeresressourcen und die Förderung nachhaltiger Praktiken werden unerlässlich sein, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen, die der Klimawandel für die britischen Gewässer mit sich bringt. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie sich diese Veränderungen entwickeln und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die marine Umwelt nachhaltig zu schützen.