Die Situation für haitianische Einwanderer in Wisconsin hat sich dramatisch verschlechtert, nachdem das US-Ministerium für Innere Sicherheit (DHS) ein humanitäres Programm beendet hat, das es ihnen ermöglichte, legal im Land zu leben und zu arbeiten. Über 500.000 Menschen, darunter viele französischsprachige Haitianer in der Region um New London, erhalten nun Mitteilungen, die sie zur Selbstabschiebung auffordern. Die abrupten Änderungen werfen Fragen zur Menschlichkeit und zur Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen auf.
„Was die Leute verstehen müssen, ist, dass die Menschen, die hier sind, die Einwanderer, die hier in unserer Gemeinschaft leben, auf legalem Weg gekommen sind“, erklärt der örtliche Einwanderungsanwalt Marc Christopher. Diese Aussage verdeutlicht nicht nur die Frustration über die Behandlung der Haitianer, sondern wirft auch ein Licht auf die Herausforderungen, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind.

Hintergründe und Kontext
Das Programm, bekannt als Cuba, Haiti, Nicaragua, Venezuela (CHNV) Parole Program, wurde eingerichtet, um Menschen aus diesen Ländern, die aufgrund von Gewalt und repressiven Regierungen vor großer Gefahr fliehen, einen legalen Aufenthalt in den USA zu ermöglichen. Unter dem Programm mussten die Teilnehmer Hintergrundüberprüfungen bestehen und hatten einen US-Sponsor, der für ihren Lebensunterhalt sorgte.
„Diese Programme sind für Menschen gedacht, die aus extremen Notlagen kommen“, sagt Hélène Pohl, eine ehrenamtliche Übersetzerin, die vor 50 Jahren aus Frankreich in die USA eingewandert ist. „Die Menschen hier haben ihre Jobs, ihre Häuser und oft auch ihre Familien hinter sich gelassen, weil sie um ihr Leben fürchten mussten. Sie dachten, sie hätten ein sicheres Land gefunden.“
Das Auslaufen des Programms erfolgt in einem Klima, das zunehmend von politischen Spannungen und einer strenger werdenden Einwanderungspolitik geprägt ist. Die Trump-Administration hatte das Programm bereits am ersten Tag ihres Amtsantritts beendet, und die Entscheidung wurde am 30. Mai 2023 vom Obersten Gerichtshof der USA bestätigt. Dies stellt die erste en masse Kündigung eines solchen Programms in der US-Geschichte dar.
„Das Programm wurde von der vorherigen Administration missbraucht, um Hunderte von Tausenden von schlecht geprüften illegalen Einwanderern in die Vereinigten Staaten aufzunehmen“, erklärte das DHS in einer Pressemeldung. Diese Argumentation wird jedoch von vielen als unbegründet und irreführend kritisiert, da die betroffenen Migranten die erforderlichen Überprüfungen durchliefen.

Investigative Enthüllungen
In der Gemeinde um Waupaca leben schätzungsweise rund 300 haitianische Einwanderer, von denen viele in der Fleischverarbeitungsindustrie tätig sind. Berichten zufolge arbeiten mindestens 100 Haitianer in einer Fleischverarbeitungsanlage von Tyson Foods in New London. Die Abwanderung dieser Arbeitskräfte könnte erhebliche Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft haben, die bereits unter Arbeitskräftemangel leidet.
„Diese Menschen sind hart arbeitende, religiöse Menschen mit Hintergründen in Unternehmertum, Phlebotomie und Bildung“, berichtet Pohl. Sie und Christopher haben sich intensiv mit dieser Gruppe beschäftigt und betonen, wie wichtig diese Einwanderer für die Wirtschaft der Region sind.
„Die Arbeitgeber in zentralen Teilen Wisconsins bestätigen, dass diese Menschen wertvolle Arbeitnehmer sind“, sagt Christopher. „Wir hören oft von Arbeitgebern, die Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter zu finden. Diese Einwanderer füllen eine wichtige Lücke im Arbeitsmarkt.“
Die Folgen des Programmendes sind bereits spürbar. Einheimische Unternehmen könnten jetzt vor der Herausforderung stehen, ihre Belegschaft aufzustocken, während die haitianischen Einwanderer in eine ungewisse Zukunft blicken. Viele von ihnen haben nicht nur ihr Heimatland, sondern auch ihre gesamte Existenz hinter sich gelassen.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktionen auf die Kündigung des Programms sind vielfältig. Viele in der Gemeinde zeigen Solidarität mit den haitianischen Einwanderern, während andere skeptisch sind und die Entscheidung als notwendig betrachten, um die Einwanderung zu kontrollieren. Christopher berichtet von Anrufen in seinem Büro von Menschen, die zwar deportationsfreundlich sind, aber dennoch helfen wollen: „Ich bekomme regelmäßig Anfragen von Menschen, die sagen: ‚Ich bin für diese Deportationen, aber ich kenne jemanden, der hier arbeitet, und ich möchte helfen, ihm zu helfen, legal zu bleiben.'“
Die Berichterstattung über die Kündigung des Programms hat auch eine breitere Diskussion über die Einwanderungspolitik in den USA angestoßen. Kritiker fordern eine Neubewertung der Kriterien, die zu solchen drastischen Maßnahmen führen. Die Äußerungen des DHS wurden von vielen als unzureichend angesehen, um die komplexe Realität der Einwanderung zu erfassen, insbesondere angesichts der humanitären Notlagen, aus denen viele dieser Menschen stammen.
Zukünftige Entwicklungen
Der Ausblick für die haitianischen Einwanderer in Wisconsin ist düster. Christopher und sein Team haben bereits damit begonnen, Asylanträge für einige dieser Einwanderer vorzubereiten. Bisher konnten sie mindestens zehn Personen Asyl gewähren, aber die Möglichkeiten, legal in den USA zu bleiben, sind sehr begrenzt.
„Es ist eine beunruhigende Situation und es gibt kaum Hoffnung für viele“, sagt Christopher. „Wir müssen weiterhin für diese Menschen kämpfen, denn sie haben bereits so viel aufgegeben und verdienen es, in einem Land zu leben, das sie willkommen heißt.“
Die letzten Entwicklungen werden mit Spannung verfolgt, sowohl von den betroffenen Einwanderern als auch von der Gemeinschaft, die sich zunehmend um die Menschen und ihre Schicksale sorgt. Während sich die politischen Rahmenbedingungen verändern, bleibt abzuwarten, welche neuen Herausforderungen und Chancen sich für die haitianischen Einwanderer in Wisconsin ergeben werden.