Die Harvard-Universität, eine der ältesten und renommiertesten Bildungseinrichtungen der Vereinigten Staaten, steht erneut im Fokus einer Kontroversen, die tief in die dunklen Kapitel ihrer Geschichte führt. Ein Forscher, der beauftragt wurde, die Verbindungen der Universität zur Sklaverei zu untersuchen, behauptet, dass die Ergebnisse seiner Arbeit nicht nur zu einem alarmierenden Bild der Komplizenschaft führten, sondern auch zu seiner abrupten Entlassung. „Wir fanden zu viele Sklaven“, so die schockierende Aussage des Wissenschaftlers, die das Gefühl der Ungerechtigkeit und des Schweigens über die Geschichte der Sklaverei in akademischen Kreisen verstärkt.
Die Geschichte begann mit einer E-Mail, die die 35-jährige Drehbuchautorin Jordan Lloyd im Juni 2020 erhielt. Inmitten der Quarantäne, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurde, hatte sie sich entschieden, das Buch Roots von Alex Haley erneut zu lesen. Diese Entscheidung sollte sich als Wendepunkt in ihrem Leben herausstellen. Ein Kontakt von Harvard, die Studentin Carissa Chen, entdeckte durch umfangreiche Recherchen ihre eigenen Wurzeln, die bis zu den versklavten Vorfahren des Antiguaners Isaac Royall Jr. zurückreichen, einem der ersten Wohltäter der Universität. Die Entdeckung war nicht nur persönlich, sondern auch der Katalysator für eine breitere Diskussion über die Verstrickungen der Universität in das System der Sklaverei.

Hintergründe und Kontext
Die Sklaverei in Nordamerika ist oft mit der Plantagenwirtschaft im Süden verbunden, jedoch waren auch die nördlichen Bundesstaaten, insbesondere Städte wie Boston, stark in die Praktiken der Sklaverei verwickelt. Historiker wie Wendy Warren dokumentieren in ihrem Buch New England Bound, dass es im 17. Jahrhundert in Boston eine weitverbreitete Praxis war, versklavte Menschen zu beschäftigen. Ein europäischer Reisender bemerkte 1687, dass es „in keinem Haus in Boston, egal wie bescheiden, fehlt, dass nicht ein oder zwei [versklavte Menschen] vorhanden sind“.
Harvard, als älteste Universität der Vereinigten Staaten, hat eine komplizierte Beziehung zur Geschichte der Sklaverei. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Institution von der Arbeit versklavter Menschen profitiert, sei es durch den Bau von Campusgebäuden oder durch die finanziellen Zuwendungen von Spendern, die eng mit dem Sklaverei-System verbunden waren. Ein Beispiel hierfür ist Isaac Royall Jr., dessen Stiftung letztlich zur Gründung der Harvard Law School führte.
Die offizielle Anerkennung der Verbindungen zur Sklaverei wurde erst 2016 unter der damaligen Präsidentin Drew Faust ausgesprochen, die betonte, dass die Universität „direkt an der Sklaverei beteiligt“ war. Im Jahr 2022 veröffentlichte Harvard einen umfassenden Bericht mit dem Titel Harvard & the Legacy of Slavery, der die Verstrickungen der Universität detailliert darstellt und über 100 Seiten umfasst.

Investigative Enthüllungen
Im Rahmen der fortlaufenden Forschungen an der Harvard University wurde beschlossen, das Thema Sklaverei und deren Auswirkungen auf die Institution genauer zu untersuchen. Forscher wie Jordan Lloyd und Carissa Chen trugen dazu bei, ein Netzwerk von Nachkommen ehemaliger Sklaven zu dokumentieren, das bis hin zu den Gründern der Universität reicht. Chen, eine Geschichtsstudentin, wollte ursprünglich nur eine kleine Forschungsarbeit betreiben und fand durch ihre akribische Recherche mehr als 50 Namen
.Die Entdeckung der Verbindungen zwischen Lloyd und den versklavten Vorfahren wurde von einer breiten Öffentlichkeit gut aufgenommen, doch die Reaktionen innerhalb der akademischen Gemeinschaft waren gemischt. Die Ergebnisse deuteten auf eine tiefergehende Schuld und Verantwortung hin, die viele in der Universität weiterhin zu leugnen schienen. Lloyds Arbeiten und die Ergebnisse von Chen, die in einem Artikel im Guardian veröffentlicht wurden, beleuchten die Abgründe, in denen sich die Geschichte von Harvard und die Praktiken der Sklaverei miteinander verflechten.
Doch als die Erkenntnisse über die Verstrickungen der Universität an die Öffentlichkeit gelangten, wurde Lloyd plötzlich entlassen. Die offizielle Begründung blieb vage, aber Insider berichten, dass die Ergebnisse ihrer Forschung als zu belastend für das Image der Universität angesehen wurden. „Wir waren überrascht über die Menge an Sklaven, die wir fanden“, sagte Lloyd in einem Interview, und betonte, dass ihre Forschung dazu führte, dass viele in der Universität nicht bereit waren, die ganze Wahrheit zu akzeptieren.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Entlassung von Lloyd wirft Fragen auf, die weit über die individuelle Geschichte hinausgehen. Welche Verantwortung tragen Institutionen wie Harvard für ihre Vergangenheit? Die Debatte zieht sich durch die akademische Gemeinschaft, während mehr als 100 Universitäten weltweit ihre eigenen Verbindungen zur Sklaverei untersuchen. Der Druck auf akademische Institutionen wächst, ihre Geschichte kritisch zu reflektieren und sich mit den Auswirkungen der Sklaverei auseinanderzusetzen.
Darüber hinaus zeigt die Entlassung von Lloyd, wie schwierig es für Forscher sein kann, in einem System zu arbeiten, das sich oft der Auseinandersetzung mit unbequemen Wahrheiten entzieht. Die #BlackLivesMatter-Bewegung und die damit verbundenen sozialen Proteste haben das Bewusstsein für Themen wie Rassismus und Ungerechtigkeit in den letzten Jahren geschärft, doch die Reaktionen auf Lloyds Entlassung zeigen, dass diese Diskussionen in akademischen Kreisen noch lange nicht abgeschlossen sind.
Die Reaktionen auf Lloyds Entlassung waren vielfältig. Einige Studenten und Alumni der Universität äußerten sich auf sozialen Medien und forderten eine vollständige Transparenz über die Verbindungen der Universität zur Sklaverei. Andere forderten eine formelle Entschuldigung von Harvard und die Anerkennung der Opfer, deren Geschichten und Identitäten lange Zeit ignoriert wurden. Diese Diskussionen zeigen, dass die Debatte um die Verstrickungen in die Sklaverei nicht nur eine akademische Frage ist, sondern eine, die die gesamte Gesellschaft betrifft.
Zukünftige Entwicklungen
Die Fragen, die durch die Entlassung von Lloyd aufgeworfen wurden, werden nicht so schnell verschwinden. Harvard und andere akademische Institutionen werden weiterhin unter Druck stehen, ihre Vergangenheit ehrlich aufzuarbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Die Forschung wird auch in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema bleiben, während Historiker und Studenten neue Perspektiven auf die Geschichte der Sklaverei und deren Auswirkungen auf die Gegenwart untersuchen.
Die Entdeckung von Lloyd und Chen über die Verbindungen zwischen Harvard und der Sklaverei ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch bleibt die Frage, wie viel weiter die Institutionen bereit sind zu gehen, um die volle Wahrheit zu akzeptieren und zu adressieren. In einer Zeit, in der Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur so wichtig sind, könnte der Fall von Lloyd eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie zukünftige Generationen mit der Geschichte der Sklaverei umgehen.
Die Debatten, die durch diese Themen angestoßen werden, haben das Potenzial, die Kultur und die Struktur akademischer Institutionen nachhaltig zu beeinflussen. Wie wird Harvard auf die Forderungen nach Veränderung reagieren? Und werden andere Universitäten dem Beispiel folgen? Die Antworten auf diese Fragen werden entscheidend dafür sein, wie sich die Gesellschaft als Ganzes mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt.