Die Gesamtfruchtbarkeitsrate Indiens ist laut einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen auf 1,9 Geburten pro Frau gesunken, was unter dem Ersatzniveau von 2,1 liegt. Diese Zahl markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der demografischen Geschichte des Landes und wirft dringliche Fragen zur zukünftigen Bevölkerungspolitik auf. Die Schätzung besagt, dass die indische Bevölkerung bis 2025 1,46 Milliarden erreichen könnte.
Der Bericht des Vereinten Nationen über den weltweiten Bevölkerungsstand für 2025 mit dem Titel „Die wahre Fruchtbarkeitskrise“ fordert einen Paradigmenwechsel: der Fokus soll von der Panik über sinkende Geburtenraten hin zu den unerfüllten reproduktiven Zielen der Menschen verschoben werden. Millionen sind nicht in der Lage, ihre tatsächlichen Fruchtbarkeitsziele zu erreichen, was als eine ernstzunehmende Krise angesehen werden kann, die weit über die Themen Unter- oder Überbevölkerung hinausgeht.
Doch ist der Rückgang der Fruchtbarkeit in Indien ein Grund zur Besorgnis? Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, die zugrunde liegenden Faktoren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu betrachten.

Hintergründe und Kontext
Die Fruchtbarkeitsrate von 1,9 Geburten pro Frau bedeutet, dass indische Frauen im Durchschnitt weniger Kinder bekommen, als nötig sind, um die Bevölkerung stabil zu halten. Dies hat weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Implikationen. Laut den Wirtschaftsnachrichten zeigt die Berichterstattung, dass dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, sondern Teil eines langfristigen Trends, der bereits seit mehreren Jahrzehnten zu beobachten ist.
Indien hat in den letzten 50 Jahren einen dramatischen Rückgang der Fruchtbarkeitsraten erlebt. Von 6,18 Geburten pro Frau in den 1950er Jahren ist die Rate auf 4,60 im Jahr 1980 und auf 1,9 im Jahr 2021 gesunken. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Global Burden of Disease Study wider, die prognostiziert, dass diese Zahl bis zum Jahr 2100 auf 1,04, also auf lediglich ein Kind pro Frau, sinken könnte.
Die Gründe für diesen Rückgang sind vielschichtig. Ein zentraler Faktor ist die Verbesserung der Bildung von Frauen und deren zunehmende Teilnahme am Arbeitsmarkt. Viele Frauen entscheiden sich, ihre Karriere vor der Elternschaft zu priorisieren, was in der modernen indischen Gesellschaft zunehmend akzeptiert wird. Der Anstieg der weiblichen Bildungsniveaus hat maßgeblich zu einer veränderten Einstellung gegenüber Familienplanung und Kindererziehung beigetragen.

Investigative Enthüllungen
Der Einfluss von Bildung und Berufstätigkeit auf die Fruchtbarkeit ist unbestreitbar. Experten wie Prof. Anjali Radkar von der Gokhale Institute of Politics and Economics erläutern, dass das indische Familienplanungssystem, eines der ältesten der Welt, dafür sorgt, dass Paare dazu angeregt werden, nur zwei Kinder zu haben. Dies geschah nicht nur durch finanzielle Anreize, sondern auch durch einen kulturellen Wandel, der von der Notwendigkeit abhing, Familien kleiner zu gestalten.
Ein weiterer Aspekt ist der Rückgang der Säuglingssterblichkeit. Verbesserte Gesundheitsversorgung und Zugang zu reproduktiven Gesundheitsdiensten haben dazu geführt, dass mehr Kinder überleben und die Familien sich nicht auf einen hohen Nachwuchs verlassen müssen, um sicherzustellen, dass einige überleben. Diese Fortschritte führen zu einem Paradigmenwechsel im Familienverständnis und in der Reproduktionspolitik. Wo früher große Familien die Norm waren, setzen immer mehr Paare auf kleinere Familien.
Ein weiterer kritischer Faktor ist die Migration. Die Abwanderung junger Inder in den Westen für Bildung und Arbeit hat nicht nur die Fruchtbarkeitsraten beeinflusst, sondern auch die demografische Struktur des Landes verändert. Laut dem Bericht des UNFPA ist die Jugend Indiens nach wie vor stark – 24 % der Bevölkerung sind im Alter von 0-14 Jahren, 17 % im Alter von 10-19 Jahren und 26 % im Alter von 10-24 Jahren. Diese Zahlen zeigen, dass trotz eines Rückgangs der Fruchtbarkeitsrate die potenzielle Arbeitskraft des Landes erhalten bleibt, was zu einer künftigen wirtschaftlichen Dynamik führen könnte.

Auswirkungen und Reaktionen
Die aktuellen demografischen Veränderungen werfen jedoch auch Fragen auf. Insbesondere in den südlichen Bundesstaaten Indiens gibt es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die politische Vertretung. Mit dem bevorstehenden Reformprozess der Wahlkreisgrenzen, der auf der Bevölkerungsgröße basiert, könnten einige Bundesstaaten an parlamentarischen Sitzen verlieren, was zu Spannungen führen könnte.
Zusätzlich zu den politischen Implikationen gibt es auch soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Ein Rückgang der jungen Bevölkerung kann langfristig zu einem Mangel an Arbeitskräften führen, was wiederum die wirtschaftliche Produktivität beeinträchtigen könnte. Laut Wirtschaftsnachrichten könnte dies die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Indiens auf dem globalen Markt gefährden.
Die UNFPA hebt hervor, dass Indien eine „einmalige Gelegenheit“ hat, durch die Kombination von reproduktiven Rechten und wirtschaftlichem Fortschritt voranzukommen. Andrea M Wojnar, die UNFPA-Vertreterin in Indien, betont die Notwendigkeit, den Menschen die Freiheit zu geben, informierte Entscheidungen über ihre Fortpflanzung zu treffen. Die wachsende Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten in Bezug auf Zugang zu Bildung und Gesundheitsdiensten verstärkt die Herausforderungen.
Zukünftige Entwicklungen
Die Prognosen deuten darauf hin, dass Indiens Bevölkerung in den nächsten 40 Jahren weiter wachsen wird, bevor sie zu sinken beginnt. Die UNFPA schätzt, dass die Bevölkerung bis 2063 1,7 Milliarden erreichen könnte. Dies wirft die Frage auf, wie sich die indische Gesellschaft auf diese Veränderungen vorbereiten kann.
Ein nachhaltiger Ansatz erfordert Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Infrastruktur, um sicherzustellen, dass alle Menschen Zugang zu den notwendigen Ressourcen haben, um informierte Entscheidungen zu treffen. Die Diskussion um die Fruchtbarkeitsrate ist nicht nur eine Frage der Zahlen, sondern betrifft auch die sozialen und wirtschaftlichen Realitäten, die das Leben der Menschen in Indien beeinflussen.
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie Indien mit diesen demografischen Herausforderungen umgeht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung und die Gesellschaft insgesamt die nötigen Maßnahmen ergreifen werden, um sowohl individuelle Reproduktionsrechte als auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu fördern.