In einer überraschenden Ankündigung hat Kanadas Premierminister Mark Carney verkündet, dass das Land das NATO-Ziel von 2 % Verteidigungsausgaben des BIP bis März nächsten Jahres erreichen wird. Dieses Versprechen erfolgt deutlich früher als ursprünglich geplant und wurde während einer Rede an der Universität von Toronto gemacht.
Carney betonte die Notwendigkeit dieses Schrittes angesichts zunehmender Bedrohungen durch feindliche Regierungen, terroristische Gruppierungen und Cyberkriminelle. Er räumte ein, dass Kanada bisher zu stark auf die USA für Verteidigung angewiesen war, während Washington seine Beiträge zur kollektiven Sicherheit reduziere.

Hintergründe und Kontext
Laut Carneys Rede befinden sich die Welt und insbesondere Kanada an einem „Scharniermoment“, das er mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verglich. Die Dringlichkeit, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, sei in Anbetracht eines aggressiven Verhaltens von Russland und China sowie drohender Gefahren in der Arktis offensichtlich.
Kanada habe im Jahr 2024 lediglich 1,4 % seines BIP für Verteidigung ausgegeben. Historisch gesehen hinkt Kanada seinen NATO-Partnern bei der Erfüllung der gemeinsamen Verteidigungsziele hinterher, da viele Mitglieder das 2 %-Ziel als Mindestanforderung betrachten.
Während des letzten Wahlkampfes hatte Carney das Ziel, bis 2030 die 2 %-Marke zu erreichen, während die vorherige Regierung unter Justin Trudeau dies bis 2032 plante. Die neuen Pläne, dieses Ziel bis März nächsten Jahres zu erreichen, sind daher ein bedeutender Schritt.
Zu den Herausforderungen der kanadischen Streitkräfte zählen veraltete Ausrüstung und eine geringe Einsatzbereitschaft. Carney erwähnte, dass nur eines von vier U-Booten seetauglich sei und weniger als die Hälfte der maritimen und landgestützten Flotten in gutem Zustand sei.

Investigative Enthüllungen
Die Ankündigung von Premierminister Carney beinhaltet eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 9,3 Milliarden kanadische Dollar für das laufende Haushaltsjahr, wodurch Kanada die 2 %-Schwelle der NATO erreichen würde. Dieser Betrag soll unmittelbar in Personal und Ausrüstung investiert werden, darunter neue U-Boote, Flugzeuge, Schiffe, gepanzerte Fahrzeuge und Artillerie.
Ein weiterer wesentlicher Punkt der neuen Strategie ist die Schaffung einer neuen Beschaffungsagentur, die die bisherigen Probleme bei der Verteidigungsausrüstung angeht. Diese Agentur soll schneller Entscheidungen treffen und den Fokus auf die Stärkung der nationalen Kapazitäten legen.
Ein Bericht eines parlamentarischen Ausschusses im Juni 2024 hatte kritisiert, dass Verzögerungen, Kostenüberschreitungen und bürokratische Hürden die Fähigkeit der Regierung in Frage stellten, die Streitkräfte rechtzeitig und kosteneffektiv auszurüsten.
Der Oppositionsführer der Konservativen, Pierre Poilievre, äußerte Unterstützung für die erhöhten Verteidigungsausgaben, warf den Liberalen jedoch vor, in den letzten zehn Jahren versagt zu haben, das Militär angemessen zu finanzieren.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Auswirkungen dieser Ausgabenerhöhung auf die kanadische Bevölkerung und die Wirtschaft sind noch unklar. Kritiker könnten argumentieren, dass solche massiven Investitionen in das Militär auf Kosten anderer dringender sozialer Bedürfnisse wie Gesundheit und Bildung gehen könnten.
Auf internationaler Ebene wird die Entscheidung Kanadas, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen, wahrscheinlich von den NATO-Partnern begrüßt. Der NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat sich für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 % des BIP ausgesprochen, ein Ziel, das weit über dem derzeitigen Mindeststandard liegt.
Carneys Ankündigung kommt nur eine Woche vor dem Beginn des G7-Gipfels, den Kanada vom 15. bis 17. Juni ausrichtet. Dies könnte ein strategischer Schachzug sein, um Kanadas Engagement für die globale Sicherheit vor einem internationalen Publikum zu demonstrieren.
Zukünftige Entwicklungen
Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, ob Kanada seine Versprechen einhalten kann und wie die Umstellung auf eine verstärkte Verteidigungsstrategie in der Praxis aussieht. Die neue Beschaffungsagentur könnte ein entscheidender Faktor sein, um die Effizienz der Investitionen zu gewährleisten.
Langfristig könnte Kanada eine führende Rolle unter den sogenannten „Mittelmächten“ einnehmen, die gezwungen sind, ihre eigenen Sicherheitsinteressen zu wahren. Wie Carney treffend bemerkte, müssen diese Nationen sicherstellen, dass sie „auf dem Tisch“ und nicht „auf der Speisekarte“ sind.
In jedem Fall bleibt abzuwarten, wie sich diese Veränderungen auf die Wahrnehmung Kanadas als verlässlicher internationaler Partner auswirken und ob sie den gewünschten Beitrag zur globalen Sicherheit leisten können.