Liberale Mehrheit des Obersten Gerichtshofs von Wisconsin kippt 176 Jahre altes Abtreibungsverbot
In einem historischen Urteil hat die liberale Mehrheit des Obersten Gerichtshofs von Wisconsin am Mittwoch, den 4. Oktober 2023, das seit 176 Jahren bestehende Abtreibungsverbot des Bundesstaates aufgehoben. Mit einer knappen Mehrheit von 4 zu 3 entschied das Gericht, dass die alten Gesetze durch neuere Regelungen, die Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlauben, obsolet geworden sind. Diese Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Abtreibungsrechte in den USA durch verschiedene gesetzliche Maßnahmen stark unter Druck stehen.
Die Entscheidung fiel in einer Zeit, als die Temperaturen der politischen Debatten über reproduktive Rechte in den USA bereits auf Rekordhöhe gestiegen waren. Der Oberste Gerichtshof der USA hatte im Jahr 2022 das historische Urteil Roe v. Wade aufgehoben, was viele konservative Staaten ermutigte, striktere Abtreibungsgesetze zu erlassen. In Wisconsin war das 1849 verabschiedete Gesetz, das Abtreibungen effektiv verbot, bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs weiterhin auf der Gesetzeslage. Mit dieser neuen Entscheidung wird der rechtliche Status von Abtreibungen im Bundesstaat neu definiert.

Hintergründe und Kontext
Das Abtreibungsverbot von Wisconsin, das 1849 verabschiedet wurde, stellte einen der ältesten Gesetze zur Regulierung von Abtreibungen in den USA dar. Ursprünglich als nahezu vollständiges Verbot konzipiert, wurde das Gesetz durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA im Jahr 1973, das Abtreibungen landesweit legalisierte, außer Kraft gesetzt. Allerdings wurde es nie offiziell aufgehoben, was zu einer rechtlichen Grauzone führte, die konservative Politiker und Juristen seit der Aufhebung von Roe v. Wade zu nutzen versuchten.
Die neuen Abtreibungsregelungen in Wisconsin, die während der fast fünf Jahrzehnte, in denen Roe in Kraft war, eingeführt wurden, beinhalteten Gesetze, die Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlauben, was in der Regel um die 24. Schwangerschaftswoche liegt. In der Klage, die zur jüngsten Entscheidung führte, argumentierte der amtierende Generalstaatsanwalt von Wisconsin, Josh Kaul, dass diese neueren Gesetze klar die alten Regelungen überlagern.
Die liberalen Richterinnen und Richter des Gerichts hatten während der mündlichen Verhandlungen im November 2022 deutlich gemacht, dass sie die veralteten Gesetze als unvereinbar mit den modernisierten Abtreibungsgesetzen betrachten. Justice Rebeca Dallet, die für die Mehrheit schrieb, merkte an, dass die umfassende Gesetzgebung zur Abtreibung, die in den letzten Jahrzehnten verabschiedet wurde, das alte Verbot klar ersetzen sollte.

Investigative Enthüllungen
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die als historisch gilt, ist nicht nur ein rechtlicher Meilenstein, sondern auch ein politisches Signal. Der Einfluss der liberalen Mehrheit, unter der Führung von Richterinnen wie Janet Protasiewicz, hat nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen. Protasiewicz hatte während ihrer Wahlkampagne klar erklärt, dass sie sich für die Rechte von Frauen und die Legalisierung von Abtreibungen einsetzen würde. Diese Haltung spiegelt die Meinungen einer Mehrheit der Wähler in Wisconsin wider: Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 62% der Befragten der Meinung sind, dass Abtreibungen in den meisten Fällen legal sein sollten.
Die konservativen Richter, darunter Justice Annette Ziegler, äußerten sich jedoch kritisch zu der Entscheidung. In ihrer Abweichung bezeichnete sie das Urteil als „ein schockierendes Beispiel für richterlichen Willen“ und warf den liberalen Richtern vor, sich den politischen Strömungen zu beugen. Diese Auseinandersetzung beleuchtet die tiefen politischen Gräben, die in der Gesellschaft und der Justiz des Bundesstaates bestehen.
Die Entscheidung könnte auch weitreichende Auswirkungen auf die politische Landschaft Wisconsin haben. Angesichts der anstehenden Wahlen im Jahr 2024 könnte die Mobilisierung der Wähler, die sich für Abtreibungsrechte einsetzen, die Wahlurnen in einem Bundesstaat beeinflussen, der in den letzten Jahren oft als „Swing State“ bezeichnet wurde. Die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze könnte den Wahlkampf für die Demokraten erheblich erleichtern, während die Republikaner sich mit einer potenziell unzufriedenen Wählerschaft konfrontiert sehen.

Auswirkungen und Reaktionen
Die unmittelbaren Auswirkungen der Entscheidung sind für Ärztinnen und Ärzte sowie für Frauen, die eine Abtreibung in Betracht ziehen, erheblich. Im Vergleich zur vorherigen rechtlichen Unsicherheit gibt die Entscheidung den Anbietern von Schwangerschaftsabbrüchen in Wisconsin eine dringend benötigte Klarheit. Dies könnte dazu führen, dass mehr Frauen Abtreibungen in Anspruch nehmen, ohne Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben zu müssen. Die neuen Regelungen ermöglichen es Fachärzten, ihre Dienstleistungen ohne die ständige Sorge vor strafrechtlichen Verfolgungen anzubieten, die durch das alte Gesetz drohten.
Darüber hinaus könnte die Entscheidung auch eine symbolische Bedeutung für andere Bundesstaaten haben, in denen ähnliche Gesetze bestehen. Während viele Staaten weiterhin versuchen, Abtreibungen zu kriminalisieren, könnte das Urteil in Wisconsin als Präzedenzfall dienen, um ähnliche Klagen in anderen Bundesstaaten voranzutreiben. Es könnte ein Wendepunkt in der nationalen Debatte über reproduktive Rechte sein und dazu beitragen, Bewegung in einen verkrampften rechtlichen Rahmen zu bringen.
Die Reaktionen auf das Urteil waren gemischt. Während Befürworter von Abtreibungsrechten den Schritt als notwendigen Fortschritt begrüßten, äußerten Kritiker, allen voran konservative Politiker, ihre Enttäuschung und warnten vor den „dramatischen Folgen“ der Entscheidung. Sie argumentieren, dass die Aufhebung des Verbots nicht nur die Moral, sondern auch die Gesundheit von Frauen gefährden könnte. In Kansas beispielsweise gab es ähnliche Entwicklungen, die jedoch eher zu einer weiteren Polarisierung der Debatte führten.
Zukünftige Entwicklungen
Was die Zukunft für die Abtreibungsrechte in Wisconsin und darüber hinaus bringen wird, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs könnte einen Dominoeffekt auslösen, der in anderen Staaten zu ähnlichen Klagen führen könnte. In einem politischen Klima, das sich immer mehr polarisiert, könnte die Frage der Abtreibung zu einem zentralen Thema der kommenden Wahlen werden.
Die nächsten Monate werden entscheidend sein, da sowohl die Unterstützer als auch die Gegner von Abtreibungsrechten versuchen werden, ihre Positionen zu stärken. Die politische Landschaft wird weiterhin durch die Meinungen der Wähler und die Reaktionen der Gesetzgeber geprägt sein. In Wisconsin haben die Wähler klargemacht, dass sie für die Legalisierung von Abtreibungen sind – eine Tatsache, die sowohl die Demokraten als auch die Republikaner in den kommenden Wahlen berücksichtigen müssen.
Die liberale Entscheidung, die das 176 Jahre alte Verbot aufhebt, ist nicht nur ein Sieg für die Abtreibungsbefürworter, sondern auch ein klarer Hinweis darauf, dass sich die Gesellschaft in Wisconsin und im gesamten Land in Richtung einer progressiveren Haltung bewegt. Es bleibt abzuwarten, wie dies die politische und gesellschaftliche Landschaft in den kommenden Jahren beeinflussen wird.