# Notfallverhütungsmittel in russischen Apotheken nicht mehr erhältlich
In Russland sind Notfallverhütungsmittel und Medikamente für medizinische Abtreibungen zunehmend schwer zu finden. Die aktuelle Situation folgt auf neue Vorschriften des Gesundheitsministeriums, die striktere Kontrollen für das Medikament Mifepriston eingeführt haben. Diese Änderungen wurden laut dem investigativen Medium Vyorstka aufgrund einer anhaltenden demografischen Krise und rekordniedriger Geburtenraten in dem Land angestoßen.
Seit September 2024 wird Mifepriston auf eine restriktivere Liste von Substanzen gesetzt, die es zusammen mit starken hormonellen und psychotropen Medikamenten klassifiziert. Um Mifepriston zu erhalten, müssen Patienten nun ein spezielles Rezeptformular vorlegen, das normalerweise für eng überwachte Medikamente reserviert ist. Zudem sind Apotheken verpflichtet, detaillierte Aufzeichnungen über jeden Verkauf von Mifepriston zu führen und diese Informationen an den federalen medizinischen Regulator, Roszdravnadzor, zu übermitteln.
In der Folge sind zwei beliebte Notfallverhütungsmittel, die Mifepriston enthalten – Jenale und Ginepriston – aus den Regalen der Apotheken verschwunden. Eine Untersuchung großer Apothekenketten wie Gorzdrav, Eapteka und Apteki.ru zeigt, dass keine Mifepriston-basierten Produkte mehr erhältlich sind. Selbst die große nationale Apotheke Rigla listet diese Medikamente zwar, markiert sie jedoch als nicht vorrätig.

Hintergründe und Kontext
Die Entscheidung, Mifepriston strenger zu regulieren, fällt in eine Zeit, in der Russland mit einer ernsthaften demografischen Krise kämpft. Die Geburtenrate ist auf historische Tiefststände gesunken, was die Befürchtung aufwirft, dass die Bevölkerung dramatisch schrumpfen könnte. Diese Sorgen haben seit Jahren an Bedeutung gewonnen, da die Regierung versucht, durch verschiedene Maßnahmen die Geburtenrate zu steigern.
Das Medikament Mifepriston, das in niedrigeren Dosen für Notfallverhütung und in höheren Dosen für medizinische Abtreibungen verwendet wird, spielt eine zentrale Rolle im Bereich der reproduktiven Gesundheit. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation hat gezeigt, dass der Zugang zu sicheren Abtreibungsdiensten und Notfallverhütungsmitteln entscheidend für die Gesundheit von Frauen ist. Der Beschluss, die Verfügbarkeit von Mifepriston in Russland einzuschränken, könnte somit weitreichende negative Folgen für die reproduktive Autonomie und Gesundheit von Frauen im Land haben.
Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass die neuen Vorschriften nicht nur die Verfügbarkeit von Mifepriston in Apotheken betreffen, sondern auch den Zugang zu medizinischen Abtreibungen in Krankenhäusern. Im März 2024 berichtete die wirtschaftliche Tageszeitung Kommersant, dass die Lieferung von Mifepriston und einem weiteren Medikament, Misoprostol, an Krankenhäuser in Russland im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gesunken ist.

Investigative Enthüllungen
Laut Daten der pharmazeutischen Industrie von RNC Pharma belief sich die Anzahl der an medizinische Einrichtungen gelieferten Mifepriston-Pakete im Jahr 2024 auf nur 636.300, ein Rückgang von 938.000 im Jahr 2023. Diese Zahlen zeigen, dass die Verwendung dieser Medikamente in Russland auf den tiefsten Stand gesunken ist, der jemals dokumentiert wurde.
Die strengen Vorschriften und der damit verbundene Rückgang der Verfügbarkeit haben zu einer besorgniserregenden Situation geführt, in der Frauen möglicherweise gezwungen sind, auf unsichere Abtreibungsmethoden zurückzugreifen. Experten warnen vor den Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die öffentliche Gesundheit, insbesondere in einem Land, das bereits mit einem steigenden Anteil an ungewollten Schwangerschaften konfrontiert ist.
Zusätzlich zu den regulatorischen Änderungen haben auch die gesellschaftlichen Stigmata rund um das Thema Abtreibung in Russland zugenommen. Aktivisten berichten, dass Frauen, die nach einem Notfallverhütungsmittel fragen, häufig mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert werden. Diese gesellschaftlichen Barrieren verstärken die Schwierigkeiten, die Frauen in Russland beim Zugang zu reproduktiven Gesundheitsdiensten haben.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktionen auf die neuen Vorschriften sind gemischt. Einige Vertreter aus der Politik und Gesellschaft unterstützen die Maßnahmen und argumentieren, dass sie notwendig sind, um die Geburtenrate zu steigern und die demografische Krise zu bewältigen. Diese Sichtweise wird jedoch von vielen Gesundheitsfachleuten und Frauenrechtsaktivisten kritisiert, die die Notwendigkeit eines umfassenden Zugangs zu reproduktiven Gesundheitsdiensten betonen.
Die unzureichende Verfügbarkeit von Mifepriston hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Frauen, die auf diese Medikamente angewiesen sind, sondern auch auf die gesamte Gesellschaft. Experten weisen darauf hin, dass der Rückgang der Geburtenrate langfristige wirtschaftliche Folgen haben könnte, die sich auf die Altersstruktur der Bevölkerung und die damit verbundenen Sozialausgaben auswirken.
Einige Frauen haben bereits auf die Veränderungen reagiert, indem sie versucht haben, alternative Methoden zur Notfallverhütung zu finden, während andere berichten, dass sie in die Nachbarländer reisen, um Zugang zu den benötigten Medikamenten zu erhalten. Diese Situation zeigt die verzweifelten Maßnahmen, die Frauen unternehmen müssen, um ihre reproduktiven Rechte zu schützen.
Zukünftige Entwicklungen
Die Zukunft des Zugangs zu Notfallverhütungsmitteln in Russland bleibt ungewiss. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Regierung, die Geburtenrate zu steigern, könnte es zu weiteren Einschränkungen im Bereich der reproduktiven Gesundheitsdienste kommen. Beobachter fragen sich, ob diese politischen Maßnahmen tatsächlich das gewünschte Ergebnis erzielen oder ob sie zu einer Verschärfung der gesundheitlichen und sozialen Probleme führen werden, mit denen Frauen in Russland konfrontiert sind.
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklungen in Russland genau. Menschenrechtsorganisationen fordern die Regierung auf, die Gesetze zu überdenken und den Zugang zu sicheren und legalen Abtreibungen zu gewährleisten. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu sehen, ob sich die Lage für Frauen in Russland ändern wird oder ob die Einschränkungen bestehen bleiben.
In einer Zeit, in der der Zugang zu Gesundheitsdiensten für Frauen als grundlegendes Menschenrecht angesehen werden sollte, stellt die aktuelle Situation in Russland eine ernsthafte Herausforderung dar. Es bleibt abzuwarten, ob die Stimmen derjenigen, die für reproduktive Rechte eintreten, Gehör finden und ob die Regierung bereit ist, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Gesundheitsversorgung für Frauen zu verbessern.