Am 12. Juni hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten einstimmig zu Gunsten eines behinderten Schülers entschieden, der seine Schule wegen unzureichender Unterstützung bei seiner seltenen Form von Epilepsie verklagen wollte. Diese Entscheidung könnte einen bedeutenden Präzedenzfall schaffen, der es Familien erleichtert, unter dem Americans with Disabilities Act Schadensersatz zu beantragen.
Der Fall, bekannt als A.J.T. v. Osseo Area Schools, hat das Interesse von Behindertenrechtsgruppen geweckt, die darauf hinweisen, dass die Gerichte in der Vergangenheit eine "nahezu unüberwindbare Hürde" für Schulkindern und deren Familien geschaffen haben, um Hilfe zu erhalten. Dies geschah durch eine rechtliche Auslegung, die es für Betroffene schwierig machte, ihre Ansprüche auf Gleichbehandlung durchzusetzen.
Die Richter verwiesen darauf, dass ein untergeordnetes Gericht den falschen Maßstab angelegt hatte, als es die Klage wegen Diskriminierung abwies. Damit wurde auch ein Argument der Schule zurückgewiesen, das die Hürde für alle Betroffenen von Diskriminierung aufgrund von Behinderung, auch außerhalb von Bildungsansprüchen, erhöhen hätte können.

Hintergründe und Kontext
Im Mittelpunkt des Falls steht die Schülerin Ava Tharpe, die an einer schweren kognitiven Beeinträchtigung und dem seltenen Lennox-Gastaut-Syndrom leidet. Ihre Eltern, Gina und Aaron Tharpe, berichteten, dass sie jahrelang versucht hatten, das Osseo Area School District dazu zu bringen, angemessene Anpassungen für ihre Tochter vorzunehmen. Aufgrund der Häufigkeit ihrer Anfälle kann Ava vor dem Mittagessen nicht zur Schule gehen.
Die Situation war nicht immer so schwierig: Eine vorherige Schule in Tennessee hatte Avas Stundenplan so geändert, dass sie erst nachmittags mit dem Unterricht beginnen konnte, was den Bedürfnissen ihrer Erkrankung Rechnung trug. Doch die Tharpes behaupten, dass die Schule in Minnesota auf eine ähnliche Anpassung nicht einging. Folglich erhielt Ava lediglich 4,25 Stunden Unterricht pro Tag, was etwa zwei Dritteln der Zeit entspricht, die nichtbehinderte Schüler erhielten.
Ein lokaler Richter stellte 2021 fest, dass das Hauptanliegen des Schulbezirks nicht Avas Bedürfnisse waren, sondern dass die Verantwortlichen verhindern wollten, dass Angestellte über die traditionellen Schulzeiten hinaus arbeiten müssen. Dieses Urteil war auch wichtig, da das Individuals with Disabilities Education Act vorschreibt, dass mehr Unterricht für Schüler mit Behinderungen bereitgestellt werden muss.

Investigative Enthüllungen
Trotz dieser Vorgaben entschied ein Bundesrichter, dass die Tharpes nicht auch unter dem Americans with Disabilities Act von 1990 und dem Section 504 des Rehabilitation Act von 1973 Schadensersatz und eine gerichtliche Anordnung zur Festlegung der Unterrichtszeiten beantragen konnten. Section 504 ist das Gesetz, das die schulischen "504-Pläne" ins Leben rief, ein zentrales Instrument zur Bereitstellung von Anpassungen für Schüler mit Behinderungen.
Das Berufungsgericht des 8. Bezirks in St. Louis entschied ebenfalls, dass man an eine frühere Entscheidung aus dem Jahr 1982 gebunden sei – Monahan v. Nebraska – die besagt, dass Schulbeamte nur dann zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie "böswillig oder grob fahrlässig" gehandelt haben. Die Tharpes "könnten zwar einen tatsächlichen Streit darüber aufgestellt haben, ob der Bezirk fahrlässig oder sogar absichtlich gleichgültig war, aber gemäß Monahan reicht das nicht aus", erklärte das Berufungsgericht.
Diese strengen Standards haben zur Folge, dass Hunderte von Entscheidungen in Bezirksgerichten in den USA unter diesem Vorzeichen ergangen sind, wobei die meisten von ihnen für die betroffenen Familien nachteilig waren. Die Anwälte der Tharpes argumentieren, dass diese Gerichte einen härteren Maßstab als "absichtliche Gleichgültigkeit" verwendet haben, was den Zugang zu Schadensersatz in Diskriminierungsfällen aufgrund von Behinderungen, die nicht auf Bildungsdiensten basieren, erschwert.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs könnte weitreichende Folgen für Schulen und betroffene Familien haben. Viele Schulbehörden im ganzen Land haben Bedenken geäußert, dass eine leichtere Erreichbarkeit von Klagen zu einer konfrontativeren Beziehung zwischen Eltern und Schulen führen könnte. Diese Spannungen sind besonders problematisch, wenn es darum geht, die Bedürfnisse eines Schülers mit den begrenzten Ressourcen der Schulen in Einklang zu bringen.
Die Reaktionen auf die Entscheidung sind gemischt. Während Behindertenrechtsaktivisten die Entscheidung als einen Sieg betrachten, der den Weg für die Durchsetzung von Rechten von Schülern mit Behinderungen ebnet, warnen Schulbehörden vor den möglichen negativen Konsequenzen für die Schulumgebung und die Zusammenarbeit mit Eltern.
Die Anti-Defamation League und andere Organisationen haben sich ebenfalls zu Wort gemeldet und die Notwendigkeit betont, dass Schulen und Behörden proaktive Maßnahmen ergreifen, um die Bedürfnisse von Schülern mit Behinderungen zu erfüllen, anstatt sich auf rechtliche Auseinandersetzungen zu verlassen. "Die Schulen sollten die Belange der Schüler in den Vordergrund stellen und nicht erst reagieren, wenn Klagen drohen", sagte ein Sprecher der ADL.
Zukünftige Entwicklungen
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs könnte einen Wendepunkt in der Rechtsprechung für Schüler mit Behinderungen darstellen und den Weg für zukünftige Klagen öffnen. Experten erwarten, dass mehr Familien bereit sind, rechtliche Schritte zu unternehmen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, was möglicherweise zu einem Anstieg der Klagen gegen Schulbezirke führen könnte.
In den kommenden Monaten wird interessant sein, wie Schulen und Schulbezirke auf diese neue Rechtsprechung reagieren werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung zu einer besseren Unterstützung und Anpassung für Schüler mit Behinderungen führen wird oder ob sie die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schulen weiter belasten wird.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Fall A.J.T. v. Osseo Area Schools nicht nur das Schicksal eines einzelnen Schülers betrifft, sondern auch weitreichende Implikationen für die Rechte und den Schutz von Schülern mit Behinderungen in den USA hat. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Schüler und den begrenzten Ressourcen der Schulen zu finden, um sicherzustellen, dass kein Kind aufgrund seiner Behinderung benachteiligt wird.