In einer alarmierenden Wendung hat die chinesische Polizei mehrere Autorinnen, die sich auf homosexuelle Romane spezialisiert haben, verhaftet. Diese Maßnahme ist Teil eines umfassenden Vorgehens gegen das populäre Genre der „Boys Love“-Fiktion, das romantische Beziehungen zwischen männlichen Charakteren darstellt. Autorinnen, die ihre Werke auf Plattformen wie Haitang veröffentlicht haben, berichten von Polizeivorladungen, möglichen Haftstrafen und finanziellen Strafen.
Einige der betroffenen Autorinnen sind Universitätsschülerinnen, die durch ihre Kreativität versuchen, aus einem von Armut geprägten Lebensumfeld auszubrechen. Beispielsweise schildert eine Autorin unter dem Pseudonym Sijindejin, wie sie eine Vorladung erhielt, um in eine Polizeistation in Gansu zu erscheinen. Um der Vorladung nachzukommen, musste sie 970 km reisen, was für die junge Frau, die in einem „armen Dorf“ aufwuchs, eine große Herausforderung darstellte.
Sijindejin, die in ihrer sozialen Medienpräsenz ihre Erfahrungen dokumentiert, äußerte sich zutiefst schockiert über die Situation. „Ich dachte, ich könnte mit meinem Schreiben meinem Schicksal entkommen“, schrieb sie. Ihre Geschichte ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Autorinnen, die nun um ihre Freiheit und ihre Zukunft fürchten müssen. Der Vorfall wirft Fragen zur Meinungsfreiheit und den Rechten von Kunstschaffenden in China auf.

Hintergründe und Kontext
Die „Boys Love“-Fiktion hat in China eine große Fangemeinde und ist insbesondere unter jungen Frauen äußerst beliebt. Diese Geschichten, die häufig romantische und sexuelle Beziehungen zwischen Männern thematisieren, finden auf verschiedenen Online-Plattformen großen Anklang. Sie werden oft von talentierten, aber finanziell benachteiligten Autorinnen verfasst, die in einer Gesellschaft, die traditionelle Geschlechterrollen propagiert, ihren eigenen Ausdruck suchen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in China sind jedoch restriktiv. Kritische Stimmen und kreative Werke, die als „obszön“ gelten, stehen unter strenger Beobachtung. Laut Berichten von Radio Free Asia hat die Polizei in Gansu Dutzende von Schriftstellern berufen, wobei einige von ihnen anschließend festgenommen oder mit Geldstrafen belegt wurden. Diese jüngsten Maßnahmen sind nicht die ersten ihrer Art; bereits 2022 wurden zahlreiche Autorinnen über ähnliche Vorwürfe in der Provinz Anhui verhört.
Die gesetzlichen Bestimmungen zu „digital obszönen“ Inhalten wurden in China im Jahr 2010 aktualisiert. Nach diesen Vorschriften sind die „Produktion, Reproduktion, Veröffentlichung oder Verbreitung“ von Inhalten, die mehr als 5.000 Aufrufe generieren oder Gewinne von über 5.000 Yuan ($1,072) erzielen, als Kriminalität einzustufen. Diese Regelung hat es den Behörden erleichtert, gegen Autoren vorzugehen, die in ihren Werken sexuelle Beziehungen zwischen Männern darstellen.
Die Auswirkungen dieser Gesetze sind erheblich. So wurde etwa die Autorin Liu Yuanyuan 2018 zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil ihr Roman „Occupy“ als obszön eingestuft wurde. Ihr Werk hatte über 150.000 Yuan ($32,200) an Gewinnen generiert. Solche Strafen schaffen ein Klima der Angst unter Schriftstellern, was die Vielfalt und Freiheit der literarischen Ausdrucksformen in China stark einschränkt.

Investigative Enthüllungen
Die aktuellen Verhaftungen werfen erhebliche Fragen zu den Beweggründen der chinesischen Regierung auf. Die genaue Ursache für den jüngsten Rückschlag gegen die „Boys Love“-Fiktion bleibt unklar, aber einige Beobachter vermuten, dass dies Teil einer breiteren Kampagne gegen vermeintlich verderbliches kulturelles Material ist. Laut Berichten sind die Behörden zunehmend besorgt über die Verbreitung von Inhalten, die als gegen die gesellschaftlichen Normen verstoßend angesehen werden.
Die Autorinnen selbst äußern sich besorgt über die Folgen ihrer Verhaftungen. Eine anonyme Autorin erklärte auf der Social-Media-Plattform Weibo: „Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag kommen würde, an dem ich für jedes Wort, das ich geschrieben habe, bestraft werde.“ Für viele dieser Schriftstellerinnen sind ihre Bücher nicht nur Werke der Fiktion, sondern Ausdruck ihrer Identität und ihrer Erfahrungen. Das Gefühl, für ihre Kreativität bestraft zu werden, ist sowohl emotional als auch psychologisch belastend.
Die Zahl der betroffenen Schriftsteller wird auf mindestens 100 geschätzt, und das Ausmaß des Polizeieinsatzes deutet auf eine koordinierte Anstrengung hin, die Verbreitung homosexueller Inhalte zu unterbinden. Diese Maßnahme könnte nicht nur die betroffenen Autorinnen betreffen, sondern auch ein ganzes Genre in die Illegalität drängen, das für viele Leser eine wichtige Quelle der Identifikation und des Trostes darstellt.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktionen auf diese Verhaftungen sind gemischt. Während einige Stimmen in der LGBTQIA+-Gemeinschaft und unter Unterstützern der Meinungsfreiheit die Maßnahmen scharf verurteilen, gibt es auch jene, die die strengen Gesetze als notwendig ansehen, um die „moralische Integrität“ der Gesellschaft zu wahren. Diese Dichotomie spiegelt sich in den sozialen Medien wider, wo Diskussionen über die Freiheit des kreativen Ausdrucks und die Grenzen staatlicher Kontrolle geführt werden.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem Aufkommen neuer Medien ist die Zensur jedoch in der chinesischen Gesellschaft nicht mehr so einfach durchzusetzen. Viele Autoren und Leser finden Wege, um zensierte Inhalte trotzdem zu verbreiten. Plattformen wie Haitang ermöglichen es Autoren, anonym zu bleiben und ihre Geschichten zu veröffentlichen, wodurch sich eine eigene Subkultur entwickelt hat, die trotz der aktuellen repressiven Maßnahmen bestehen bleibt.
Die Diskussion über die Rechte von LGBTQIA+-Personen in China ist längst überfällig. Während die Regierung öffentlich vorgibt, die Rechte aller Bürger zu schützen, zeigen die aktuellen Vorfälle, dass dies oft nicht für alle gilt. Die Verhaftungen und das Vorgehen der Polizei könnten die Solidarität innerhalb der LGBTQIA+-Gemeinschaft stärken, da Mitglieder sich zusammenschließen, um Unterstützung zu bieten und gegen die Diskriminierung zu kämpfen.
Zukünftige Entwicklungen
Die Zukunft der „Boys Love“-Fiktion in China ist ungewiss. Es ist unwahrscheinlich, dass die strengen Gesetze in naher Zukunft gelockert werden, und es ist zu erwarten, dass die Polizei weiterhin gegen Autoren und Plattformen vorgeht, die homosexuelle Inhalte verbreiten. Die Schaffung eines sicheren Raums für den Austausch und die Verbreitung solcher Werke könnte eine Herausforderung bleiben.
Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von LGBTQIA+-Themen in China langsam verändert. Immer mehr Menschen fordern eine größere Akzeptanz und ein Ende der Diskriminierung. Die Geschichten von Autorinnen wie Sijindejin könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen, denen sich kreative Köpfe in einem repressiven Umfeld gegenübersehen.
Die fortwährende Unterstützung durch internationale Menschenrechtsorganisationen und die Berichterstattung über diese Themen könnten dazu beitragen, Druck auf die chinesische Regierung auszuüben, die Rechte von Künstlern und Schriftstellern zu respektieren und die Meinungsfreiheit zu wahren. Die Zeit wird zeigen, ob sich die Welle der Zensur in ein wachsendes Bedürfnis nach Freiheit und Ausdruck verwandeln kann.