Preise für russische Jets steigen, während Moskau kämpft, Boeing und Airbus loszuwerden
Die Preise für in Russland hergestellte Passagierflugzeuge sind in den letzten zwei Jahren sprunghaft angestiegen, was die Bemühungen Moskaus, sich aus der Abhängigkeit von Boeing und Airbus zu befreien, erheblich erschwert. Laut Informationen aus einem Treffen des Verkehrsministeriums, die von der pro-Kreml-Zeitung Izvestia veröffentlicht wurden, sind die Preise für inländische Flugzeuge um bis zu 70 % gestiegen. Dieser Preisanstieg wird durch höhere Produktionskosten und die anhaltende Abhängigkeit von importierten Bauteilen verursacht.
Das Flaggschiff-Modell MS-21, das als russische Alternative zu den Boeing 737 und Airbus A320 entwickelt wurde, kostet nun 7,6 Milliarden Rubel (rund 96 Millionen Dollar), was einen Anstieg von 45 % im Vergleich zu den Preisen vor einem Jahr darstellt. Der Turboprop-Flugzeugtyp Il-114-300, der für Regionalflüge konzipiert wurde, hat sich nahezu verdoppelt und kostet nun 2,6 Milliarden Rubel (etwa 33 Millionen Dollar). Auch die Preise für das LMS-901 Baikal sind gestiegen, von 178 Millionen Rubel (2,3 Millionen Dollar) auf 315 bis 320 Millionen Rubel (4-4,1 Millionen Dollar).
Hintergründe und Kontext
Die Russische Föderation steht vor einem massiven Umbruch in ihrer Luftfahrtindustrie. Der Wegfall westlicher Flugzeugproduktion und die verhängten internationalen Sanktionen haben die Notwendigkeit verstärkt, eine autonome zivile Luftfahrtindustrie aufzubauen. Diese Sanktionen, die nach der Invasion der Ukraine im Jahr 2022 verhängt wurden, haben den Zugang zu westlichen Flugzeugen, Ersatzteilen und Wartungsdienstleistungen stark eingeschränkt.
Die Berichte über die Herausforderungen in der russischen Luftfahrtindustrie zeigen eine klare Kluft zwischen den politischen Ansprüchen und der wirtschaftlichen Realität. Trotz der offiziellen Versprechen, die Abhängigkeit von westlicher Technologie zu reduzieren, hat Russland seit Beginn des Konflikts Berichten zufolge über 1 Milliarde Dollar an Bauteilen von Boeing und Airbus importiert, oft über Drittstaaten oder Graumarkt-Lieferanten.
Die Mängel in der heimischen Produktion sind auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass russische Unternehmen oft auf importierte Technologien angewiesen sind, um ihre Flugzeuge zu bauen. Ein Sprecher von Rostec, dem staatlichen Verteidigungs- und Luftfahrtkonzern, gab an, dass die anfänglichen Preisschätzungen für inländisch produzierte Flugzeuge optimistisch waren und die aktuelle wirtschaftliche Situation nicht widerspiegeln. Die gestiegenen Material- und Elektronikpreise werden als Hauptursache für die Preissteigerungen genannt.
Investigative Enthüllungen
Die jüngsten Preissteigerungen zeigen, wie fragil das russische Luftfahrtprojekt ist. Laut den Protokollen des Verkehrsministeriums sind die Kosten für Flugzeuge in Russland nicht nur angestiegen, sondern die gesamte Finanzierungsstruktur hinter diesen Maschinen steht auf der Kippe. Die Staatliche Transportleasinggesellschaft (GTLK) wurde beauftragt, neue Finanzierungs- und Betriebsleasingmodelle zu entwickeln, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Diese Modelle sollen es ermöglichen, die vollen Kaufpreise durch den Nationalen Wohlstandsfonds (NWF) zu finanzieren.
Ein zentrales Problem bleibt jedoch die Wirtschaftlichkeit dieser Leasingmodelle. Viktor Anoshkin, ein Sprecher der Billigfluggesellschaft Smartavia, erklärte, dass die Bedingungen der Flugzeugleasingverträge entscheidend für die Rentabilität der Airlines seien. Das Ministerium hat die GTLK angewiesen, die Leasinglaufzeiten auf sieben bis zehn Jahre zu verlängern, was eine erhebliche finanzielle Belastung für die Airlines darstellt und eine 20-jährige Verpflichtung der NWF-Mittel vorsieht.
Die Protokolle des Ministeriums betonen, dass die Flugzeugpreise mit ausländischen Pendants vergleichbar sein müssen und das finanzielle Modell ähnliche Renditen wie der NWF vorweisen sollte. Diese Anforderungen scheinen jedoch unrealistisch, insbesondere angesichts der rapiden Preiserhöhungen und der Herausforderungen in der Produktion.
Auswirkungen und Reaktionen
Die Auswirkungen der steigenden Preise auf die russische Luftfahrtindustrie sind weitreichend. Airlines wie Aeroflot sehen sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Flotten zu modernisieren, während sie gleichzeitig mit höheren Betriebskosten kämpfen müssen. Der CEO von Aeroflot hat bereits öffentlich gefordert, die Anzahl der westlichen Flugzeuge in Russland zu begrenzen, um die heimische Produktion zu fördern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Dies könnte jedoch zu einem Stillstand in der Entwicklung führen, wenn die inländische Industrie nicht in der Lage ist, die Qualität und Verfügbarkeit der benötigten Ersatzteile zu gewährleisten.
Die Herausforderungen, vor denen die russische Luftfahrt steht, sind nicht nur wirtschaftlicher Natur. Die internationalen Sanktionen haben nicht nur den Zugang zu westlichen Technologien und Dienstleistungen behindert, sondern auch das Vertrauen in die russische Luftfahrtindustrie untergraben. Fluggesellschaften in Russland haben Schwierigkeiten, neue Märkte zu erschließen, während die internationalen Luftfahrtunternehmen weiterhin ihre Verbindungen zu Russland einstellen.
Die russische Regierung steht vor der Herausforderung, die öffentliche Meinung zu steuern und gleichzeitig die notwendige Unterstützung für die heimische Luftfahrt zu mobilisieren. Die Versäumnisse der Regierung, die vollmundigen Versprechungen in Bezug auf die Autarkie der Luftfahrt umzusetzen, könnten zu weiteren sozialen Unruhen führen, insbesondere wenn die Flüge teurer werden und die Qualität der Dienstleistungen sinkt.
Zukünftige Entwicklungen
Die Zukunft der russischen Luftfahrtindustrie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Fähigkeit, die Produktionskosten zu senken und gleichzeitig die Qualität der Flugzeuge zu gewährleisten. Ein weitere Herausforderung wird die Abhängigkeit von ausländischen Komponenten bleiben, da Experten warnen vor weiteren Problemen, wenn Russland nicht in der Lage ist, qualitativ hochwertige, inländische Alternativen zu entwickeln.
Die Initiative zur Senkung der Produktionskosten, die bis 2030 Ergebnisse zeigen soll, wird entscheidend dafür sein, ob Russland seine Ambitionen im Luftverkehr aufrechterhalten kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung die notwendigen Schritte unternimmt, um die heimische Industrie zu stärken und die Abhängigkeit von westlichen Technologien weiter zu reduzieren.
Die Luftfahrtindustrie in Russland steht also an einem kritischen Wendepunkt. Der Druck, eine unabhängige und leistungsfähige Luftfahrtindustrie aufzubauen, könnte sich als Herausforderung erweisen, die das Land nicht einfach überwinden kann. Die nächste Zeit wird entscheidend sein, um zu sehen, ob die russische Luftfahrtindustrie in der Lage ist, sich zu behaupten und die dringend benötigte Autarkie zu erreichen.




