In einem wegweisenden Urteil hat ein taiwanesisches Gericht den Kapitän eines chinesischen Schiffs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er für die Beschädigung eines Unterseekabels verurteilt wurde, das Taiwan mit den nahegelegenen Penghu-Inseln verbindet. Der Fall wirft nicht nur Fragen zur Sicherheit der Unterseekabel auf, sondern beleuchtet auch die angespannten Beziehungen zwischen Taiwan und China und deren Einfluss auf die geopolitische Stabilität in der Region.
Der Mann, bekannt nur unter seinem Nachnamen Wang, war der Kapitän des unter der Flagge Togos fahrenden Schiffs Hong Tai 58. Das Urteil des Gerichts in Tainan am 12. Juni ist das erste seiner Art im Zusammenhang mit den häufigen Berichten über Beschädigungen von Unterseekabeln rund um Taiwan. Die taiwanesische Regierung hat Peking beschuldigt, diese Kabel absichtlich zu sabotieren, um Druck auf die selbstverwaltete Insel auszuüben, die China als Teil seines Hoheitsgebiets betrachtet.
China hingegen hat jede Beteiligung zurückgewiesen und die Vorfälle als "gewöhnliche maritime Unfälle" bezeichnet, die von taiwanesischen Behörden übertrieben würden. Diese Meinungsverschiedenheiten über die Ursachen und die Verantwortung für solche Vorfälle sind nicht neu, aber der aktuelle Fall könnte weitreichende Folgen für die künftigen Beziehungen zwischen Taiwan und China haben.

Hintergründe und Kontext
Unterseekabel sind für die globale Internetkommunikation von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge tragen diese Kabel fast den gesamten Internetverkehr weltweit. Laut International Cable Protection Committee treten jährlich 150 bis 200 Schäden an Unterseekabeln auf. Taiwan ist durch 10 nationale und 14 internationale Unterseekabel verbunden, deren Sicherheit eine hohe Priorität für die taiwanesische Regierung hat.
Die Beschädigung des Kabels, das Taiwan mit den Penghu-Inseln verbindet, wurde als ernsthafte Beeinträchtigung der Regierungs- und Gesellschaftsabläufe bewertet. Das Gericht stellte fest, dass die Auswirkungen enorm seien und die Taten des Angeklagten „schwer verurteilt“ werden sollten. Dieser Fall könnte als Beispiel für die wachsende Besorgnis Taiwans über potenzielle Sabotageakte durch China interpretiert werden.
Bereits im Februar hatte die taiwanesische Küstenwache das Hong Tai 58 vor der Südküste des Landes beobachtet, wo es mehrere Tage vor Anker lag. Nachdem das Schiff die Gewässer verlassen hatte, stellte die Küstenwache kurz darauf fest, dass ein Unterseekabel in der Nähe durchtrennt worden war. Dies führte zur Rückführung des Schiffs nach Taiwan zur Untersuchung, wobei die Besatzung von acht chinesischen Staatsangehörigen in Gewahrsam genommen wurde.

Investigative Enthüllungen
Die Zeugenaussagen und Beweise im Gerichtshof werfen ein Licht auf die Umstände, die zu der Beschädigung des Unterseekabels führten. Während Wang zu Beginn der Ermittlungen jegliches Fehlverhalten bestritt, gestand er später während des Prozesses, dass er möglicherweise das Kabel beschädigt hatte. Er behauptete, dass raues Wetter die Navigation erschwert habe, was zu einer unsachgemäßen Anweisung an seine Crew geführt habe, den Anker zu werfen, ohne zu wissen, dass sich dort Unterseekabel befanden.
Die Staatsanwaltschaft war jedoch anderer Meinung und argumentierte, dass Wang absichtlich das Kabel beschädigt habe. Die elektronischen Karten an Bord des Schiffs hätten eindeutig die Position des Kabels angezeigt. Hsu Shu Han, ein Staatsanwalt in diesem Fall, äußerte sich gegenüber BBC Chinese und bezeichnete das Schiff als „äußerst verdächtig“. Es hatte im vergangenen Jahr nur einen einzigen Frachtdatensatz und befand sich in einem schlechten Zustand, während es dennoch im Taiwan-Meer verkehrte.
Zusätzlich wurde festgestellt, dass das Schiff mehrere Namen trug und dass Wang absichtlich Informationen über den Eigentümer des Schiffs verschleiert hatte, der bis heute nicht identifiziert werden konnte. Die Küstenwache berichtete, dass Schiffe normalerweise in einer kreisförmigen Bewegung um den Anker driften, während das Hong Tai 58 seinen Anker direkt über den Boden gezogen hatte, was auf ein absichtliches Handeln hindeutet. Die Beschädigung des Kabels stimmte zudem mit dem Ankerort des Schiffs überein und wies Anzeichen auf, die darauf hindeuteten, dass es von einer äußeren Kraft erfasst worden war.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktion auf das Urteil war gemischt. Während viele in Taiwan den Fall als einen wichtigen Schritt in der Bekämpfung von ausländischer Sabotage ansehen, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der möglichen diplomatischen Reaktionen Chinas. Die taiwanesische Ministerin für Ozeanfragen, Kuan Bi-ling, erklärte, dass das Hong Tai 58 eines von 52 Schiffen sei, die Taiwan wegen verdächtiger Aktivitäten überwacht.
In der Vergangenheit wurden ähnliche Vorfälle in anderen Regionen der Welt verzeichnet. Beispielsweise wurde ein chinesisches Schiff im letzten November beschuldigt, zwei Glasfaserkabel in der Ostsee durchtrennt zu haben. Eine schwedische Untersuchung zu diesem Vorfall kam jedoch zu dem Schluss, dass keine absichtliche Sabotage vorlag. Diese unterschiedlichen Interpretationen und die Tatsachenlage verdeutlichen das mangelnde Vertrauen zwischen den Ländern und die Unsicherheit in der Region.
Die taiwanesische Regierung hat ähnliche Vorfälle in der Vergangenheit als Bedrohung wahrgenommen und ist bestrebt, ihre maritime Sicherheit zu verbessern. Laut taiwanesischen Behörden gab es zwischen 2019 und 2023 insgesamt 36 Fälle von Unterseekabelbeschädigungen durch äußere Einflüsse. Diese Zahlen verstärken die Besorgnis um die Sicherheit der kritischen Infrastruktur des Landes und werfen Fragen zur Relevanz internationaler Abkommen und Protokolle auf, die die Sicherheit von Unterseekabeln betreffen.
Zukünftige Entwicklungen
Die Verurteilung des Kapitäns könnte einen Präzedenzfall für zukünftige rechtliche Schritte gegen ähnliche Vorfälle schaffen. Die taiwanesische Regierung hat bereits signalisiert, dass sie entschlossen ist, ihre maritime Sicherheit zu verstärken und potenzielle Bedrohungen durch ausländische Schiffe ernst zu nehmen. Dies könnte auch zu einer verstärkten Überwachung und Kontrolle der Schifffahrt in der Region führen.
In Anbetracht der geopolitischen Spannungen zwischen Taiwan und China ist es wahrscheinlich, dass beide Seiten ihre Positionen weiter verhärten werden. Taiwan wird möglicherweise weiterhin gegen vermeintliche Sabotageakte vorgehen, während China darauf bestehen wird, dass solche Vorfälle nicht das Ergebnis einer koordinierten Strategie sind. Der Druck auf die Unterseekabel und die Infrastruktur wird somit nicht nur technische, sondern auch diplomatische Herausforderungen mit sich bringen.
Insgesamt zeigt dieser Fall, wie wichtig es ist, die Sicherheit von Unterseekabeln zu gewährleisten und die geopolitischen Spannungen in der Region im Blick zu behalten. Während Taiwan sich bemüht, seine Souveränität und Sicherheit zu wahren, bleibt abzuwarten, wie China auf diese Entwicklungen reagieren wird und welche weiteren rechtlichen oder diplomatischen Schritte folgen könnten.