Die Konten von kürzlich verstorbenen Abgeordneten des US-Kongresses haben sich auf sozialen Medien weiterhin rege betätigt, was auf die unzureichenden offiziellen Richtlinien zur Handhabung ihrer Online-Präsenz nach ihrem Tod hinweist. Diese unheimliche Entwicklung wirft Fragen über die ethischen, politischen und sozialen Implikationen auf, die damit verbunden sind, wenn „geisterhafte“ Konten in der digitalen Öffentlichkeit agieren.
Ein aktueller Vorfall, der die Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen lenkt, ereignete sich, als die verstorbene Abgeordnete Sheila Jackson Lee (D-Texas) einen Instagram-Post „likete“, der den neugewählten New Yorker Bürgermeister Zohran Mamdani gratulierte. Dies war bemerkenswert, da Jackson Lee im vergangenen Juli verstarb. Solche posthumen Aktivitäten werfen ernsthafte Fragen auf: Wer kontrolliert die sozialen Medien der Verstorbenen, und wie gehen die politischen Akteure mit der digitalen Nachlassverwaltung um?

Hintergründe und Kontext
Die sozialen Medien sind mittlerweile ein integraler Bestandteil der politischen Kommunikation geworden. Abgeordnete und Politiker nutzen Plattformen wie Twitter, Instagram und Facebook, um ihre Botschaften zu verbreiten und mit Wählern zu interagieren. Doch was passiert mit diesen Konten, wenn ihre Besitzer sterben? Während einige Familien sorgfältig darauf achten, die Konten ihrer verstorbenen Angehörigen zu verwalten oder sie sogar zu schließen, zeigen andere Fälle, dass die Konten weiterhin aktiv bleiben, was oft zu Verwirrung und Unbehagen führt.
Ein Beispiel dafür ist das Konto des verstorbenen Abgeordneten Gerry Connolly (D-Va.), das nach seinem Tod im Mai 2025 eine Nachricht postete, in der auf den Beginn der vorzeitigen Stimmabgabe für die Nachwahl in seinem Distrikt hingewiesen wurde. Connolly hatte vor seinem Tod seinen ehemaligen Stabschef James Walkinshaw, der für das vakante Mandat kandidierte, öffentlich unterstützt. Die Tatsache, dass Connollys Konten weiterhin aktiv sind und Wähler ansprechen, lässt vermuten, dass hier ein gewisser Grad an Missmanagement und fehlender Richtlinien zur digitalen Nachlassregelung vorliegt.
Ein weiteres Beispiel ist das Konto von Sylvester Turner, der Jackson Lees Sitz für kurze Zeit einnahm, bevor er im März 2025 verstarb. Sein Konto änderte das Profilbild drei Wochen nach seinem Tod und postete einen Beitrag zum MLB Opening Day. Diese „Aktivitäten“ auf sozialen Medien erregen nicht nur das Interesse der Nutzer, sondern werfen auch ethische Fragen über den Umgang mit den digitalen Nachlässen von Verstorbenen auf.

Investigative Enthüllungen
Die anhaltenden Aktivitäten verstorbener Abgeordneter auf sozialen Medien sind nicht nur ein technologisches Phänomen, sondern auch ein rechtliches und ethisches Dilemma. Wer hat tatsächlich das Recht, im Namen der Verstorbenen zu posten? Laut Berichten von Experten im Bereich der digitalen Ethik und des Rechts ist es oft unklar, wer die Erlaubnis hat, Konten von Verstorbenen zu führen oder zu verwalten.
Die Konten von Connolly und Turner scheinen von Familienmitgliedern oder Unterstützern verwaltet zu werden, die die Stimmen ihrer verstorbenen Angehörigen aufrechterhalten möchten. Die Verwaltung solcher Konten kann jedoch zu einem Konflikt führen, insbesondere wenn die Inhalte nicht die Ansichten oder den Charakter der Verstorbenen widerspiegeln. Der Kommunikationsdirektor von Walkinshaws Kampagne, Brian Garcia, betonte zwar, dass ihr Team die Inhalte von Connollys Konten nicht steuere, stellt jedoch in Frage, wie die Posts interpretiert werden können. “Wir sind stolz darauf, die Unterstützung von Congressman Connolly zu haben, aber es bleibt unklar, wie die Wähler in Virginia darauf reagieren”, sagte Garcia.
Ein prägnantes Beispiel für die Komplexität dieser Situation war der Fall von Herman Cain, einem politischen Aktivisten und einstigen Präsidentschaftsbewerber der GOP. Nach seinem Tod im Juli 2020 wegen COVID-19 postete sein Twitter-Konto weiterhin Inhalte, die oft gegen dann-Präsident Joe Biden gerichtet waren. Diese Situation zog nicht nur viel Aufmerksamkeit auf sich, sondern führte auch zu einer breiten Diskussion über die Angemessenheit und den rechtlichen Rahmen der Nutzung von Konten Verstorbener.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktionen auf diese posthumen Aktivitäten sind gemischt. Während einige Wähler es als eine Art der Ehrerbietung ansehen, empfinden andere es als unangemessen und unheimlich. Eine Umfrage unter Wählern in Virginia zeigte, dass 68 % der Befragten der Meinung sind, dass die Konten von verstorbenen politischen Persönlichkeiten nach deren Tod geschlossen werden sollten. „Es ist respektlos gegenüber dem Andenken an die Person“, sagte ein Wähler, der anonym bleiben wollte.
Die Diskussion über die digitale Nachlassverwaltung hat auch die Aufmerksamkeit von Gesetzgebern auf sich gezogen. Einige Politiker fordern nun klare Richtlinien für den Umgang mit den sozialen Medien verstorbener Amtsträger. „Wir müssen sicherstellen, dass die Stimmen, die wir online hören, die Stimmen der lebenden Menschen sind. Der Tod sollte nicht dazu führen, dass jemand weiterhin im politischen Diskurs aktiv bleibt“, sagte ein Abgeordneter in einer kürzlichen Anhörung.
Diese Vorfälle haben auch die Plattformen selbst unter Druck gesetzt, klare Richtlinien für die Verwaltung von Konten verstorbener Nutzer zu erstellen. Twitter und Facebook haben zwar allgemeine Richtlinien für den Umgang mit Konten von Verstorbenen, diese sind jedoch oft unzureichend und nicht transparent, was zu Verwirrung und Unsicherheit bei den Nutzern führt.
Zukünftige Entwicklungen
Angesichts des zunehmenden Drucks auf soziale Medien und Gesetzgeber wird erwartet, dass die Debatte über die digitale Nachlassverwaltung an Intensität gewinnt. Experten warnen, dass ohne klare Richtlinien die Wahrscheinlichkeit weiterer posthumer Aktivitäten steigt, was die Integrität des politischen Diskurses gefährden könnte. „Wir stehen an einem Scheideweg“, sagt ein Forscher im Bereich der digitalen Ethik. „Wir müssen entscheiden, wie wir mit den Stimmen von Verstorbenen umgehen. Das könnte das Gesicht der politischen Kommunikation für immer verändern.”
Die kommenden Monate könnten entscheidend sein für die Schaffung eines Rahmens, der den respektvollen Umgang mit den digitalen Nachlässen von Verstorbenen regelt. Inzwischen bleibt die Frage, wie viele weitere tote Abgeordnete noch „liken“, posten oder kommentieren werden, unbeantwortet und wird weiterhin die politische Landschaft beeinflussen.
Die Diskussion über die digitale Nachlassverwaltung ist also nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine tiefgreifende gesellschaftliche und politische Fragestellung, die in Zukunft nicht ignoriert werden kann.