In einer überraschenden Wende hat Kanada, zusammen mit 148 anderen Ländern, für eine Resolution der Vereinten Nationen gestimmt, die einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand im Gazastreifen fordert. Diese Entscheidung wurde an einem Tag getroffen, an dem Ottawa gleichzeitig Sanktionen gegen zwei israelische Minister verhängte, die wegen der Anstiftung zu Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland kritisiert wurden. Diese Entwicklung ist eine deutliche Abkehr von Kanadas traditioneller Unterstützung für Israel und wirft Fragen zur zukünftigen Außenpolitik des Landes auf.
Die Abstimmung fand während einer Notfallsitzung in New York statt, wo die UN-Generalversammlung mit 149 Stimmen für und 12 dagegen bei 19 Enthaltungen ein Zeichen setzen wollte. Die Entscheidung steht im Widerspruch zu den jüngsten Äußerungen des ehemaligen kanadischen Premierministers Justin Trudeau, der im letzten Jahr bei einer ähnlichen Abstimmung eine Enthaltung bevorzugte und argumentierte, dass eine einseitige Schuldzuweisung an Israel nicht akzeptabel sei.

Hintergründe und Kontext
Die Änderung in der kanadischen Außenpolitik ist Teil eines umfassenderen Trends unter der Leitung von Premierminister Mark Carney, der im März 2023 ins Amt kam. Carney, der zuvor als Gouverneur der Bank von Kanada diente, hat sich in der Vergangenheit für eine fundamentale Überprüfung der kanadischen Außenpolitik eingesetzt. Diese Wende wird nicht nur von der kanadischen Bevölkerung, sondern auch von verschiedenen politischen Akteuren und Lobbygruppen genau beobachtet.
Der kanadische Außenminister stellte klar, dass die Entscheidung, für die Resolution zu stimmen, in Übereinstimmung mit Kanadas Werten der Menschenrechte und des internationalen Rechts steht. Diese Position wird jedoch von Gruppen wie dem Centre for Israel and Jewish Affairs (CIJA) heftig kritisiert, das die Abstimmung als einen Bruch mit der langjährigen kanadischen Politik betrachtet, die Israel stets unterstützt hat.
Die Resolution fordert auch die Freilassung aller Geiseln, die von Hamas gehalten werden, und einen ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe für die 2 Millionen Palästinenser im Gazastreifen. Dies geschieht in einem Kontext, in dem die humanitäre Lage in Gaza als katastrophal beschrieben wird, wobei Experten von einer drohenden Hungersnot sprechen, wenn die Blockade nicht aufgehoben wird.
Die Vorwürfe gegen Israel, Hunger als Kriegswaffe zu nutzen, wurden von dem israelischen UN-Botschafter Danny Danon als "Blutlibel" abgelehnt. Dennoch berichten zahlreiche humanitäre Organisationen von weitverbreitetem Hunger und einer kritischen Versorgungslage im Gazastreifen.

Investigative Enthüllungen
Die Entscheidung Kanadas, für die Resolution zu stimmen, hat nicht nur im Inland für Aufregung gesorgt, sondern auch international Wellen geschlagen. Die Reaktionen waren geteilt; während einige die Entscheidung als mutigen Schritt in Richtung einer gerechteren Politik betrachten, sehen andere darin eine Gefahr für die Stabilität in der Region. Die CBC berichtete über die scharfen Worte von CIJA, die das Votum als eine gefährliche Ermutigung für Hamas interpretieren, die als terroristische Organisation gilt.
Die kritischen Stimmen heben hervor, dass die Resolution Hamas nicht zur Verantwortung zieht und die Sicherheitsbedenken Israels ignoriert. Diese Wahrnehmung könnte die diplomatischen Beziehungen zwischen Kanada und Israel belasten, die traditionell eng waren. Die Frage bleibt, ob diese Wende in der Politik Kanadas ein einmaliger Vorfall war oder ein Zeichen für eine dauerhafte Veränderung in der Außenpolitik.
Bob Rae, Kanadas Botschafter bei den Vereinten Nationen, äußerte in seiner Rede vor der Generalversammlung, dass die kanadische Regierung "tief bedauert", dass die Resolution Hamas nicht explizit verurteilt. Er betonte, dass der Terroranschlag vom 7. Oktober 2023, bei dem mehr als 1200 Menschen in Israel getötet wurden, nicht außer Acht gelassen werden könne. Die Notwendigkeit, dass Hamas sich entwaffnen muss, wurde ebenfalls hervorgehoben, was die Komplexität der Situation verdeutlicht.

Auswirkungen und Reaktionen
Die Reaktionen aus der internationalen Gemeinschaft sind vielfältig und spiegeln die Spannungen wider, die die Abstimmung verursacht hat. Die USA, ein traditioneller Verbündeter Kanadas und Israels, haben Bedenken geäußert, dass diese Entscheidung die Bemühungen um Frieden in der Region untergraben könnte. Washington hat Länder dazu aufgerufen, nicht an der bevorstehenden UN-Konferenz zur Wiederbelebung der Zwei-Staaten-Lösung teilzunehmen, die nächste Woche stattfinden soll.
Die NDP-Außenpolitiksprecherin Heather McPherson bezeichnete die Zustimmung zur Resolution als "das Minimum, was Kanada tun sollte, um Gaza zu unterstützen". Sie forderte Ottawa auf, die Freihandelsvereinbarung mit Israel auszusetzen und die Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Diese Stimmen zeigen, dass die kanadische Politik zunehmend unter Druck steht, eine klarere Position in Bezug auf den Konflikt einzunehmen und die humanitären Bedürfnisse der Palästinenser zu adressieren.
Die Gegenreaktionen aus der jüdischen Community in Kanada sind ebenfalls signifikant. Viele Mitglieder fühlen sich durch die Abstimmung und die damit verbundene Kritik an Israel in ihrer Identität und Sicherheit bedroht. Die Spannungen innerhalb der Community zeigen, dass die politische Landschaft Kanadas, insbesondere im Hinblick auf den Nahostkonflikt, sich weiter polarisiert.
Zukünftige Entwicklungen
Die Entwicklung rund um die UN-Abstimmung und die damit verbundenen Sanktionen gegen israelische Minister wird sicher auch in Zukunft die kanadische Außenpolitik prägen. Experten warnen davor, dass ein anhaltendes Festhalten an dieser neuen Linie die Beziehungen zu Israel weiter belasten könnte. Die politische Landschaft in Kanada könnte sich in den kommenden Monaten erheblich verändern, insbesondere wenn sich die öffentliche Meinung weiterhin gegen die israelische Regierung wendet.
Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie die kanadische Regierung auf die Reaktionen und die komplexen Realitäten im Nahen Osten reagiert. Die Frage bleibt, ob Kanada bereit ist, einen mutigen Schritt in Richtung einer gerechteren Politik zu wagen oder ob es sich wieder in die traditionellen Muster der Unterstützung für Israel zurückzieht.
In dieser Zeit der Unsicherheit bleibt die Hoffnung auf Frieden und Stabilität im Nahen Osten für viele Menschen in beiden Regionen von größter Bedeutung. Die Entwicklungen in Kanada könnten einen wichtigen Einfluss auf die Dynamiken in der Region haben.